Ein Bär im Betstuhl
den Kapitän, Huuskonen und den Bären zu den Ruinen des Klosters und erzählte ihnen, wie dort die Gefangenen in feuchten Kammern gehaust hatten. Danach war das Kloster verfallen, und erst in den letz ten Jahren hatte man begonnen, es Schritt für Schritt zu restaurieren. Auch Finnen waren zur freiwilligen Aufbauarbeit nach Solowezk gekommen, aber mehr als ein aus Stahlrohren zusammengefügtes Baugerüst, das langsam vor sich hin rostete, war noch nicht entstan den.
»Ich arbeite noch bis einschließlich kommenden Win ter in der Telegrafenstation, dann kann ich vielleicht die Insel verlassen. Hier hat man keinerlei Abwechslung, ist völlig von allem abgeschnitten.«
Die junge Frau wollte gern Sapperlot an der Leine führen, er mochte sie offenbar, drängte sich an sie, leckte ihr die Hand und wollte auf den Arm genommen werden, obwohl er dafür viel zu groß war. Sie verließen nun das Kloster und gingen auf einer holprigen Straße durchs Dorf nach Nordnordost, kamen an einen Wald-see mit moosbewachsenem Ufer und ließen sich nieder, um den vom Schiff mitgebrachten Proviant zu verzehren. Der Kapitän hatte eine Flasche süßen georgischen Rot wein dabei, mit dem sie ihre Butterbrote hinunterspül ten. Die Sonne schien heiß, es war völlig windstill. Mü ckenschwärme umsummten die kleine Gesellschaft, der Bär und Tanja machten sich nichts daraus, aber der Kapitän und der Pastor litten.
Vom Dorf her ertönte lautes Hundegebell, und bald kamen drei Kläffer mit rotem Fell angehetzt, dass der Staub nur so wirbelte. Sapperlot geriet in rasende Wut, ähnlich wie einst beim Spaziergang vor der christlichen Volkshochschule von Vampula, er zerrte an der Leine, die Tanja in der Hand hielt, riss sich los und stürmte den Angreifern wütend entgegen. Er war inzwischen so groß, dass die Dorfköter bei seinem Anblick den Schwanz einkniffen und jaulend die Flucht ergriffen. Der Bär setzte ihnen nach, dabei schleuderten seine Tatzen das Moos, das am Waldteich wuchs, nach allen Seiten. Sapperlot verschwand im dichten Fichtenwald, bald waren weder sein Brummen noch das Kläffen der Hunde mehr zu hören.
Der Pastor, der Kapitän und ihre Inselführerin beka men einen Schreck und riefen nach dem Bären, doch der ließ sich nicht blicken. Huuskonen zog die Schuhe aus und watete in den sumpfigen Wald hinein, er um rundete den Teich und folgte den Spuren des Bären, doch als er auf festeren Boden kam, verlor er sie. Schließlich musste er umkehren. Zu dritt riefen sie dann eine gute halbe Stunde nach Sapperlot, doch ohne Erfolg. Der Bär hatte sich in der Wildnis verirrt. Kapitän Leontjew musste zu seinem Schiff zurückkehren. Huuskonen aber konnte den Bären nicht allein im Wald zurücklassen, wie sollte er dort zurechtkommen, und außerdem konnte er ohne Sapperlot auf der Alla Tara sowa kein Revueprogramm aufführen.
»Wir legen gegen neun Uhr abends ab. Versuch, den Bären bis dahin zu finden, man wird dich sicher mit irgendeinem Motorfahrzeug zum Schiff bringen. Solltest du keinen Erfolg haben, dann gib Tanja Bescheid, damit sie mich anruft«, erklärte er. Dann machte er sich mit Tanja auf den Weg ins Dorf. Oskari Huuskonen watete auf bloßen Füßen durch den Wald und rief immer wie der:
»Sapperlot, komm nach Hause! Sapperlot, komm nach Hause!«
DIE NEUEN GEFANGENEN
VON SOLOWEZK
Pastor Huuskonen irrte bis spätabends durch den Wald, konnte Sapperlot aber nicht finden. Müde und mit aufgeschürften Fußsohlen hinkte er schließlich ins Dorf und zum Hafen, wo er erfuhr, dass sein Gepäck von der Alla Tarasowa an Land gebracht und in die nahe Funk und Telegrafenstation geschafft worden war, wohin sich Huuskonen sofort begab. Tanja Mihailowa hatte noch Dienst, sie hatte Huuskonens Koffer, seine Wodkavorrä te, seine Bücherkiste und Sapperlots Bügeleisen an sich genommen und im Aufenthaltsraum der Baracke aufge stapelt. Es war ein enges Kabuff, in dem nur ein Bett, ein kleiner Schrank und ein Tisch Platz hatten. Tanja machte sich Sorgen um den Bären:
»Wie soll das arme Tier nachts in der Wildnis zurecht kommen?«
Pastor Huuskonen sagte, dass der Bär schon recht groß sei und ein dichtes Fell habe, und schließlich sei er ein Tier des Waldes, sei dort geboren, also müsse er dort auch zurechtkommen. Tanja versprach, am nächsten Morgen mit Huuskonen auf Bärensuche zu gehen, sie hatte jetzt Nachtdienst und anschließend vierundzwan zig Stunden frei. Sie machte Oskari das Bett im
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