Ein Bär im Betstuhl
sich mit Partner beziehungen beschäftigten. Veranstalter war die kirchli che Familienberatung. Die zweifellos sehr freie Bezie hung zwischen Pastor Oskari Huuskonen und der Biolo gin Sonja Sammalisto erregte Ärgernis, auch die Anwe senheit eines Bären namens Sapperlot war nicht gerade dazu angetan, die Vorbehalte zu zerstreuen.
Sonja und der Bär wuschen und bügelten noch ein mal Wäsche. Sonja schrieb ihre wissenschaftlichen Notizen, die sie zu Beginn des Sommers gemacht hatte, ins Reine und fuhr dann nach Oulu. Der Augenblick des Abschieds ist teuer, sagte sich Oskari Huuskonen, als er ihr Geld für ein Flugticket gab. Er selbst blieb mit sei nem Bären zunächst da, war aber von den Partnerbera tern nur ungern geduldet, sodass er beschloss, die Volkshochschule auch zu verlassen. Er bezahlte seine Rechnung und fuhr über Köyliö nach Rauma, dort übernachtete er in einem Hotel und fuhr am nächsten Tag weiter nach Uusikaupunki.
In der Stadt wurden Autos gefertigt, aber die Produk tion war zurückgegangen, arbeitslose Männer lungerten auf der Straße und in den Kneipen herum, es herrschte gedrückte Stimmung. Auch die Werft hatte nicht genug Aufträge, dort lagen gerade mal zwei Schiffe zur Repara
tur, das deutsche Ro-Ro-Schiff Hansa und das russische Passagierschiff Alla Tarasowa, das einst in Polen auf der Werft von Gdansk gebaut worden und dessen General überholung jetzt fast beendet war. Pastor Huuskonen begegnete dem Kapitän des Schiffes, dem alten, gemütli chen Seebären Wassili Leontjew, der gekommen war, um sein Schiff abzunehmen. Die Begegnung war purer Zufall: Oskari fuhr ziellos herum und gelangte zur Werft. In der Nähe des Tores stand ein graubärtiger Kapitän und pinkelte. Der Bär begann zu winseln zum Zeichen, dass auch er seine Notdurft verrichten wollte. Oskari stoppte den Wagen und führte Sapperlot an der Leine zum Metallzaun. Der Bär schielte zum Kapitän, lehnte sich dann mit einer Tatze an den Zaun und schlug sein Wasser ab wie ein Mann, dasselbe tat auch Pastor Huuskonen. Der Kapitän hatte sein Geschäft als Erster erledigt, schlenkerte sein Glied ein paar Mal und zog dann den Reißverschluss zu. Auf Englisch fragte er:
»Da haben wir wohl einen Bären, nicht wahr?« »Ganz richtig«, bestätigte Pastor Huuskonen. Die Männer machten sich bekannt, und der Kapitän
lud den Pastor ein, sein Schiff zu besichtigen. Es war etwa hundert Meter lang, ein weißes Passagierschiff alten Stils mit Platz für zweihundert Gäste und hundert Mann Besatzung, von der erst die Hälfte eingetroffen war, hauptsächlich Maschinisten, die die neu eingebau ten Diesel testeten. Der Kapitän ließ Huuskonen und Sapperlot in seinem Salon einen leichten Lunch und ein paar Drinks servieren. Er erzählte, dass er allein ste hend sei. In jungen Jahren sei er auf einem Walfang schiff im Stillen Ozean gefahren, später im Frachtver kehr auf dem Kaspischen Meer, und jetzt nach der Perestroika habe man ihn nach Archangelsk abkom mandiert, denn dort solle eine Passagierlinie um die Halbinsel Kola herum nach Murmansk eröffnet werden.
Pastor Huuskonen erzählte von seinem Leben: Er sei ein Kirchenmann, Lutheraner, Doktor der Theologie, habe Gottes Wort auf dem Lande verkündet, sogar eine eigene Gemeinde gehabt. Derzeit sei er vom Amt sus pendiert, bekomme nur das halbe Gehalt und fahre mit seinem Bären ohne eigentliches Ziel durch die Welt.
Nach der Mahlzeit faltete Sapperlot die Tatzen und setzte sich hin wie zum Gebet. Sein Maul machte brab belnde Bewegungen, er dankte für das Essen.
»Ob der Bär auch lernen würde, sich zu bekreuzi gen?«, fragte der Kapitän. Sie probierten es aus. Wassili Leontjew machte Sapperlot das Zeichen einige Male vor, und Oskari Huuskonen kommandierte:
»Los, Sapperlot, mach es nach!«
Nach mehreren Minuten Übung beherrschte der Bär das neue Kunststück: Er führte seine rechte Tatze von der Stirn nach unten und dann auf beide Seiten des Mauls. Die Geste wirkte sehr fromm.
»Ein äußerst gelehriges Tier«, bestätigte der Kapitän. Nach dem Lunch besuchten sie den Maschinenraum
und die Kommandobrücke. Der Kapitän führte sein Schiff mit großer Zufriedenheit vor, denn obwohl es fast zwanzig Jahre alt war, war es jetzt nach der Überholung wieder in bestem Zustand, die Maschinen waren gewar tet, und es war mit moderner Elektronik ausgestattet worden. Als sie die Kommandobrücke verlassen hatten, warfen sie einen Blick in den
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