Ein Bär im Betstuhl
Nachtklub, aus dem häm mernde Rockmusik zu hören war. Dort trainierte eine fünfköpfige Tanzgruppe zu Musik vom Band: zwei schlanke Männer und drei hübsche Mädchen in engen Trikots. Sie drehten sich zu den Rhythmen und schwan gen die Hüften, ihre Bewegungen wirkten ausgespro chen erotisch. Pastor Huuskonen fragte, woher die Tanzgruppe stamme.
»Ich glaube, dass es sich im Prinzip um St. Petersbur ger Huren handelt«, murmelte der Kapitän. »Sie gehören nicht zur Schiffsbesatzung, werden fürs Tanzen bezahlt. Dies soll ja ein Kreuzfahrtschiff werden, also müssen wir auch ein Programm bieten.«
Der Pastor fragte, ob er nicht ebenfalls mitfahren und im Programm auftreten könnte, Verpflegung und ein kleines Auftrittshonorar würden ihm genügen. Ihm schwebte eine Bühnennummer vor, bei der sie beide, er und Sapperlot, ihre Künste zeigen würden: Der Bär würde quasi als Diener fungieren und allerlei Kunststü cke machen, die er bereits jetzt beherrschte, er würde Wäsche waschen, Hemden bügeln, servieren und so weiter. Auch würden sie gemeinsam Andachten abhal ten, der Bär würde sich bekreuzigen und dergleichen.
»Na, wenn das keine gute Idee ist«, freute sich Kapitän Leontjew. Und er bekannte, dass ihm das längst durch den Sinn gegangen sei und er nur nicht gewagt habe, dem Pastor so etwas vorzuschlagen. Man brauche auf dem Schiff tatsächlich auch andere Programmnummern
als nur leichte Mädchen, die ihren Hintern schwenkten, nebst ihren schmierigen Zuhältern, die dazu mit den Füßen stampften.
»Treten Sie in die finnische Seefahrtsgewerkschaft ein, ich bestätige Ihnen schriftlich die Heuer. Einen Pass haben Sie sicher? Und wie steht es mit den Papieren des Bären?«
Pastor Huuskonen erklärte, dass Sapperlot die Ge nehmigung besitze, als zahmes Haustier zu dienen, das Papier sei vom Ministerium ausgestellt worden, als man ihm den Bären seinerzeit überreicht habe.
»Ich habe ihn von meinen Gemeindemitgliedern ge schenkt bekommen, als ich fünfzig wurde.«
»Als ich fünfzig wurde, schenkte mir die Besatzung einen lebenden Pinguin, wir waren damals in den Ge wässern von Neuseeland unterwegs. Später, als das Vieh älter wurde, benahm es sich wie eine Diva, und es stank wie eine Mülldeponie. Ich habe es dann in St. Petersburg an den Vogelpark verkauft, wo der Satan sämtliche Wasservögel mit seinen Salmonellen angesteckt hat, sie sind dem Vernehmen nach alle krepiert.«
Der Kapitän erzählte, dass das Schiff in etwa einer Woche Uusikaupunki verlassen werde.
»Ursprünglich war geplant, dass wir durch den Finni schen Meerbusen zum Ladogasee und von dort durch den Onegasee und die Kanäle ins Weiße Meer fahren, aber einige Schleusen sind wohl zu kurz, oder dort ist anderweitig nicht alles in Ordnung. Jedenfalls geht es jetzt also durch die Ostsee ins Kattegat und von dort in den Atlantik, dann fahren wir längs der norwegischen Küste und an Petsamo vorbei zur Halbinsel Kola. In Murmansk nehmen wir den Rest der Mannschaft und die ersten Touristen an Bord, umfahren die Halbinsel Kola, und weiter geht es von der Barentssee ins Weiße Meer und nach Archangelsk, ehe wir über Solowezk nach Murmansk zurückkehren, um die nächsten Passa giere aufzunehmen. Sie haben noch genug Zeit, den Bären auszubilden, ehe wir Murmansk erreichen.«
Der Kapitän fügte noch hinzu, dass er bereit sei, dem Pastor den vollen Lohn eines Deckmanns zu zahlen, aber der Bär müsse sich mit der Stelle eines Leichtmat rosen zufrieden geben.
»Der Kurs des Rubels ist ja ziemlich schlecht, aber Sie könnten Ihr Auto mit an Bord nehmen und in Mur mansk verkaufen, dann wären Sie für russische Ver hältnisse ein steinreicher Mann, zumindest solange die Inflation es zulässt.«
Huuskonen fand den Gedanken ausgezeichnet. Der Vertrag wurde perfekt gemacht, und er ließ sich in die Seefahrts-Union einschreiben.
Nach einer Woche wurde die Alla Tarasowa mit Schleppern aus der Werft gezogen, und ein Lotse beglei tete sie aufs offene Meer. Das Schiff nahm Kurs nach Süden und steuerte neuen Abenteuern entgegen. Mit an Bord waren auch Pastor Oskari Huuskonen und sein Bär Sapperlot. Der Seemannspastor und der Seebär.
LEBEN AUF SEE
IN ARKTISCHEN GEWÄSSERN
Das Passagierschiff Alla Tarasowa schaukelte über den nebligen Atlantik. Auf dem Vorderdeck war Pastor Huuskonens PKW festgemacht. Der Pastor selbst stand rechts an der Reling und schaute auf die steilen Ge birgswände, die hin und
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