Ein Bär im Betstuhl
besser, wenn Sie das Vieh hier wegholen und in eine Zelle stecken?«
»So, so, Freundchen, du hast also einen Bären ein quartiert. Hast du wieder die ganze Nacht durchgesof fen?«
Der Hotelangestellte schwor, dass er nüchtern war, was freilich nicht ganz stimmte, aber immerhin fast.
»Der Bär geht auf zwei Beinen, und er trägt seinen Koffer.«
»Ja, na klar, seit wann laufen Bären auch auf allen vieren?«
»Da ist irgendwas faul, ich will nicht die Verantwor tung für das Vieh übernehmen.«
»Leg jetzt auf, Mann, und versuch erst mal nüchtern zu werden, dann vergiss die ganze Sache. Wir haben hier zwei Fälle von Totschlag zu klären, und auf den Gängen steht uns das Blut und das Erbrochene der Betrunkenen schon bis zum Knie, wir haben also auch
ohne deine Anrufe genug zu tun.«
Beelzebub beschnupperte das Hotelzimmer gründlich, entdeckte dann das Badezimmer, öffnete den Heißwas serhahn, und als er merkte, dass warmes Wasser he rauskam, nahm er erst mal eine anständige Dusche. Tanja gab ihm Seife und Shampoo. Der Petz setzte sich in die Wanne, schäumte sich von oben bis unten ein und wusch sich fast eine Stunde lang. Das erste Bad seit einem halben Jahr. Dann stieg er aus der Wanne und schüttelte sich, dass das Wasser nach allen Seiten spritzte. Während Tanja und Oskari badeten, trocknete der Bär sein Fell mit den großen Handtüchern des Ho tels, anschließend packte er geübt die Koffer aus und räumte die Sachen in die Schrankfächer. Die Kleider hängte er auf Bügel, und die Schuhe stellte er an die Tür. Als er all das erledigt hatte, warf er sich ins Dop pelbett, das er für das seine hielt. Die Annahme war jedoch falsch, und als seine Leute aus dem Bad kamen, scheuchten sie ihn auf die Liege.
Am nächsten Morgen besorgte Tanja Fahrkarten nach Odessa. Sie war zu dem Schluss gelangt, dass sie Oskari und Beelzebub nicht allein durch das unruhige Russ-land und die Ukraine reisen lassen konnte.
»Du willst mit uns bis nach Odessa fahren?« Oskari staunte. Sie sagte, dass das doch wohl klar sei, was sollte sie schließlich in dem kalten und grauen St. Pe tersburg anfangen.
Gegen Abend bezahlten sie das Hotel und fuhren mit dem Taxi zum Bahnhof. Dort bezogen sie ihr Schlafwa genabteil, und Oskari befahl dem Bären, ins oberste Bett zu kriechen. Dort war es eng, und somit fühlte er sich heimisch wie in der Bärenhöhle. Um Punkt acht zehn Uhr setzte sich der Zug in Bewegung, und auf ging es nach Odessa, der berühmten Hafenstadt am Schwar zen Meer. Die Bahnfahrt dauerte anderthalb Tage, über Witebsk, Gomel und Kiew, sodass Pastor Huuskonen genug Zeit hatte, die Computerausdrucke von Solowezk mit den aufgezeichneten Geräuschen aus dem Weltall zu studieren. Er starrte Stunde um Stunde auf die Papiere, versuchte die seiner Meinung nach darin enthaltene Botschaft zu entschlüsseln, aber die dunklen Strichco des blieben ein Geheimnis. Er erklärte der ungläubigen Tanja, dass es sich mit absoluter Sicherheit um eine Botschaft aus dem All, von einem unbekannten Plane-ten, handele, er sie aber zumindest vorläufig nicht inter pretieren könne.
»Der menschliche Verstand hat leider seine Grenzen«, seufzte er. »Ich muss wohl Kontakt zu den Astronomen des amerikanischen Serendip-Projektes aufnehmen, vielleicht können sie mir eine Erklärung geben.«
Tanja meinte, dass die verschmierten Striche garan tiert nur ganz normale Störungen im Funkverkehr und ganz bestimmt kein Versuch einer interstellaren Kon taktaufnahme seien. Huuskonen jedoch hielt diese einfache Erklärung für unzureichend.
»Ihr Frauen seid unromantisch«, schnaubte er. »Im Weltall wird natürlich nicht Russisch, nicht Finnisch und auch nicht Englisch gesprochen, aber ich bin si-cher, dass dies eine Botschaft von einem fernen Plane-ten ist, abgeschickt aus einer Entfernung von wahr scheinlich tausend Lichtjahren, aber jetzt ist sie hier in meiner Hand, und auf der Erde bleibt sie auch, in alle Ewigkeit, amen.«
Tanja fragte, was es mit diesem Serendip eigentlich auf sich habe. Der Pastor erzählte, dass der Name einem alten persischen Märchen entliehen sei: In uralter Zeit lebten in Persien drei Prinzen von Serendip, alle jung und schön und im heiratsfähigen Alter. Sie erfuhren von einem überaus lieblichen Mädchen, das in einem fernen Land wohnte. Die Prinzen machten sich sofort auf, um nach dem schönen Mädchen zu suchen, sie wanderten von Land zu Land und erlebten unterwegs allerlei
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