Ein Bär im Betstuhl
Kampf in Odessas Nacht hinterließ, zumal sich Pastor Huuskonen nicht einmal daran erinnerte, und Bären erzählen nichts. So viel kann gesagt werden: In den dunklen Hafenvierteln war das Klirren von Glas, das Geschrei von Menschen und das Heulen der Polizeisire nen zu hören. Irgendwann in den frühen Morgenstun den kehrte Beelzebub mit Huuskonen ins Hotel zurück. Bären haben einen untrüglichen Instinkt, und so fand er sicher ans Ziel. Der Pastor saß auf dem Rücken des Petzes und johlte Psalm 7:
»Der Feind hat sein Schwert gewetzt und seinen Bogen gespannt und zielt. Und hat darauf gelegt tödliche Geschosse; Seine Pfeile hat er zugerichtet, zu verderben. Siehe, er hat Böses im Sinn,
mit Unglück ist er schwanger
und wird Lüge gebären.«
Tanja wurde ins Foyer gerufen, und sie führte rasch den Pastor und den Bären aufs Zimmer. Dort grölte Huuskonen den Psalm zu Ende:
»Er hat eine Grube gegraben und ausgehöhlt und ist in die Grube gefallen, die er gemacht hat. Sein Unglück wird auf sein Haupt kommen Und sein Frevel auf seinen Scheitel fallen.«
Am Morgen hatte der Pastor einen mordsmäßigen Kater. Er flehte Tanja und Gott an, gnädig zu sein, kam vor dem Abend nicht aus dem Bett, erbrach sich und jam merte über sein elendes Schicksal.
Tags darauf stand in der örtlichen Prawda eine kleine Notiz, der zufolge es in den Hafenvierteln von Odessa zu Unruhen gekommen war, die, laut Angaben der Miliz, durch ausländische Provokateure ausgelöst worden waren. Mehrere Personen waren verletzt worden, auch materieller Schaden war entstanden. Die Behörden ermittelten.
Tanja erklärte, dass sie dem Pastor und dem Bären nie wieder gestatten würde, Missionsarbeit zu leisten, zumindest nicht in den sündigen Gassen von Odessa.
Offenbar hatten sich die beiden in wirklich elenden Kaschemmen herumgetrieben – so war nun mal das Los der Straßenmissionare –, denn nach einigen Tagen wurde der Bär zusehends nervös, er schabte und kratzte sich und konnte nicht schlafen. Der Pastor ging mit ihm zu demselben Tierarzt, der ihn schon einmal untersucht hatte.
»Ob er vielleicht die Räude hat?«, fragte Huuskonen besorgt.
Die Symptome erinnerten zwar an Räude, aber Urhe ber des Juckreizes waren keine Milben, sondern Beelze bub hatte Filzläuse, und zwar nicht wenige. Pastor Huuskonen war einer Ohnmacht nahe: War er in seinem Suff mit dem Bären in irgendeine Höhle gekrochen, wo sich das arme Tier dieses Ungeziefer geholt hatte?
Der Tierarzt befahl Huuskonen, die Hose herunterzu lassen, und untersuchte dessen Schambehaarung eben falls.
»Auch Sie haben Filzläuse«, lautete die unbarmherzige Diagnose.
Die Filzläuse aus dem dichten Pelz des Bären zu ver treiben war keine leichte Sache. Ein ganzer Eimer Salbe war dafür erforderlich, wovon Oskari Huuskonen still schweigend eine gewisse Menge für sich selbst abzweig te. Dem Bären gefiel die Behandlung überhaupt nicht, aber da war nichts zu machen, das Ungeziefer musste beseitigt werden.
Von da an blieb das Paar mit seinem Bären wohlweis lich im Hotelzimmer. Sie fürchteten den Besuch der Miliz, aber aus irgendeinem Grunde fanden die Behör den nicht heraus, wo sich Huuskonen und der Bär versteckten. Tanja erledigte die notwendigen Gänge in der Stadt.
EIN REEDER HOFFT AUF FÜRBITTE
Anfang April kam das erste ausländische Passagierschiff in den Hafen von Odessa getrödelt, es war die alte rosti ge MS Oihonna, die unter panamesischer Flagge fuhr, aber eigentlich einer irischen Kleinreederei gehörte. Das Schiff war Anfang der Sechzigerjahre gebaut worden, es war nur hundert Meter lang, hatte dreihundert Kabi nenplätze und hundert Mann Besatzung. Es kam aus dem Mittelmeer, hatte zuletzt Pilger zwischen Algerien, Tunesien und Marokko befördert und war zuvor im Roten Meer verkehrt, nun war es wegen eines billigen Dockplatzes ins Schwarze Meer gekommen. Die Oihonna musste überholt werden, und westliche Währung war in den GUS-Staaten sehr gefragt. Kapitän und Eigner des Schiffes war der Ire Ernie O’Connor, ein gedrungener, rotgesichtiger Mann in Oskari Huuskonens Alter, ein echter Seebär. Kapitän und Reeder O’Connor bot Oskari und Tanja Whisky und belegte Brote im Salon des Schif fes an.
»Sie möchten also auf diesem Schiff anheuern? Das passt gut, eine Funkerin brauche ich tatsächlich, denn der Vorgänger ist ganz plötzlich gestorben, ist auf der Herfahrt in der Adria an einer Haigräte erstickt, der arme
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