Ein Bär im Betstuhl
Beschäftigung als das Saufen fände. Aber was sollte ein gewöhnlicher Pastor in einer elenden Hafenstadt schon anfangen?
»Du kannst ja deine Gottesdienste mit Beelzebub veranstalten, das macht euch doch solchen Spaß«, sagte Tanja giftig. Ohne es zu wollen, hatte sie damit ins Schwarze getroffen. »Du sagst es! Wir werden auf den Straßen des Hafenviertels von Odessa missionieren. Hier lungern zu Tausenden verzweifelte, arme Teufel rum, die nicht die geringste Ahnung von Gott dem Allmächtigen, seiner Gnade und seinem Trost haben.«
Huuskonen machte sofort Pläne, wie er die Seelen der unglücklichen Menschen in Odessa retten konnte. Er bat Tanja, ihn als Dolmetscherin zu begleiten, wenn er seine Missionierung in den Elendsvierteln beginnen würde. Tanja protestierte, ihretwegen konnten Odessas Seeleute, all die versoffenen Soldaten, Huren und sonstigen Ganoven zur Hölle gehen, wenn sie schon diesen Weg gewählt hatten. Oskari gab nicht nach, und so rüsteten sie sich noch am selben Abend für das Unternehmen. Der Pastor hängte Beelzebub eine Kette um den Hals, an der ein Kreuz befestigt war, hüllte sich in einen schwarzen Umhang, und los ging’s.
Es war nicht schwer, die Heimstätten der Verdamm nis zu finden. Die Bettler, Huren, Verbrecher und all das andere Gesocks kamen mit Eintritt der Dunkelheit aus ihren Höhlen. Der Pastor und die Seinen begannen mit ihrer Arbeit in den Hafenkneipen, und an Publikum war kein Mangel. Anfangs lief alles hervorragend. Tanja stellte den Pastor und den Bären auf Russisch vor, und dann verkündeten die beiden die Rettungsbotschaft, Huuskonen predigte und sang, der Bär bekreuzigte sich und betete.
Das Publikum reagierte mit Staunen auf Huuskonens Vorträge, viele hörten ihm sogar zu und applaudierten dem Bären begeistert. Die Missionspatrouille zog von Kneipe zu Kneipe. Ihr Ruf eilte ihnen voraus, es hieß, ein verrückter Finne sei nach Odessa gekommen, um die Menschen zu retten, die den Weg ins Verderben beschritten hatten. Die Leute spendierten dem Pastor nach seinen Auftritten freigiebig Wodka. In dieser Phase des Abends erklärte Tanja jedes Mal, dass sie ins Hotel zurückkehren werde, aus ihrer Sicht nahm die Missio nierung zu irdische Züge an. Sie seien ausgezogen, um gegen Trunksucht und andere Sünden vorzugehen, nicht um zu saufen, erklärte sie und ließ Oskari und Beelzebub in der verräucherten Kneipe allein zurück.
Da die Missionierungsarbeit einmal so gut in Gang gekommen war, mochte Oskari Huuskonen sie auf keinen Fall abbrechen. Er zuckelte mit dem Bären von Kneipe zu Kneipe, und überall war der Empfang großar tig. Bis der Pastor dann irgendwann in den frühen Mor genstunden zu betrunken war. Auch der Bär war er schöpft und lag unter dem Kneipentisch. Die rohen Verbrecher wurden frech, sie traten den Bären mit ihren Stiefeln und rissen ihn am Fell. Huuskonen lallte ir gendetwas von der Freundschaft zwischen den Völkern und Gottes Gnade und trank zur Unterstützung seiner Worte einen Schluck Wodka. Er spendierte den Ganoven Getränke, sie nahmen ihn ordentlich aus, und zum Schluss verpasste ihm einer der Kerle einen Faustschlag ins Gesicht. Üble Sache. Der Pastor fiel mit dem Ober körper über den Tisch. Alle Anwesenden lachten, dass die ganze Gegend widerhallte. Irgendjemand drückte im Hintern des Bären eine Zigarettenkippe aus, und das gab erst recht ein Gewieher. Huuskonen und der Bär waren außer Gefecht gesetzt und in einem erbärmlichen Zustand, aber ein finnischer Bär ließ sich so etwas nicht so einfach gefallen.
Beelzebub leckte über seine angebrannte Afteröff nung, und dann nahm er die Zügel in seine Tatzen. Mit explodierender Kraft leerte er die ganze Kneipe, schleu derte die frechen Halunken weit hinaus auf die Straße, machte ein paar Tische zu Kleinholz und weckte dann seinen Herrn. Es dauerte eine Weile, ehe Pastor Huuskonen kapierte, dass er einen Kinnhaken bekom men hatte und der Bär bis aufs Blut gereizt worden war. Er stand auf und wankte auf die Straße. Dort hatte sich das Gesocks versammelt, um seine Wunden zu lecken, und jetzt schritt es gemeinsam zur Rache, ging zuerst auf den Pastor los und dann auf den Bären. Die Miliz tauchte ebenfalls auf.
Der betrunkene, alte Pastor hätte wohl leicht den Kürzeren gezogen, aber er hatte den gesunden und nüchternen Bären an seiner Seite, und Huuskonen schickte Beelzebub in den Kampf.
Man mag gar nicht schildern, welch schreckliche Spur der
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