Ein Bär im Betstuhl
aufre gende Abenteuer. Dabei verloren sie von Zeit zu Zeit ihr eigentliches Ziel ganz aus den Augen, aber was sollte es, sie hatten wirklich Spaß an den Abenteuern.
»Heute versteht man in der Astronomie unter ›Seren dip‹ die Fähigkeit, ganz zufällig wichtige Entdeckungen zu machen. In den USA laufen mehrere Serendip-Forschungsprogramme, in deren Rahmen auch Radio wellen im All abgehört werden, genau so wie ich es im Winter in Solowezk getan habe. Mit dem Unterschied, dass ich Erfolg hatte, wie dieser Computerausdruck deutlich zeigt.«
»Ein wirklich hübsches Märchen«, gab Tanja zu. MISSIONIERUNG
AUF DEN STRASSEN ODESSAS
Der Schnellzug aus St. Petersburg traf am Morgen des
16. März in Odessa ein. Pastor Huuskonen erinnerte sich an ein altes finnisches Tanzlied, in dem Odessa als Perle des Schwarzen Meeres gepriesen wurde. Die Stadt war jedoch keineswegs ein romantisches Strandpara dies, sondern ein großes verqualmtes Hafen- und In dustriezentrum. Tanja besorgte ein Zimmer in einem billigen, von Seeleuten bevorzugten Hotel in der Nähe des Hafens. Es war ein stickiges Loch, aber Huuskonen wollte sein Geld sparen.
Tanja war daran interessiert, Oskari ins Ausland zu folgen, und so besorgte sie sich einen Seemannspass. Das war einfach, denn sie war von Beruf Funkerin, und die wurden auf einem Schiff immer gebraucht.
Anschließend gingen sie mit Beelzebub zu einem Tier arzt, um eine Quarantänebescheinigung für ihn zu besorgen. Der Arzt, ein schwarzhaariger, verschwitzter Mann, freute sich darüber, einen Bären untersuchen zu dürfen.
»Für gewöhnlich verarzte ich Hunde und Katzen, und manchmal behandle ich auch die Pferde in einem Gestüt außerhalb der Stadt, aber heute kommt zum ersten Mal ein lebender Bär in meine Praxis.«
Er horchte Beelzebubs Lunge ab und maß seinen Puls, untersuchte auch den Urin und nahm eine Blut probe. Letztere zeigte, dass der Bär keine Trichinen hatte. Der Arzt stellte die Bescheinigung, dass das Tier gesund und in guter Verfassung sei, in englischer Spra che aus. Am Schluss wurde Beelzebub noch auf der Pferdewaage gewogen, sein aktuelles Gewicht betrug hundertsiebenundzwanzig Kilo, er hatte im Winter fünf zehn Kilo abgenommen. Huuskonen brachte immerhin hundertzwei Kilo auf die Waage.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war es auch in der Ukraine unruhig geworden. Der Verkehr im Hafen von Odessa hatte nachgelassen, ausländische Handelsschiffe kamen selten, und Passagierschiffe waren gleich gar nicht zu sehen. Es galt also zu warten, und die Zeit nutzten Huuskonen und Tanja für Beelze bubs Ausbildung. Sie wiederholten mit ihm gründlich all das, was sie ihm im Herbst in Solowezk beigebracht hatten. Die Arbeiten eines Dieners wurden rekapituliert, er war gelehrig und mit Eifer bei der Sache. Auch die Tanzprogramme, ergänzt durch neue Tänze, studierten sie mit ihm neu ein. Am eifrigsten zeigte er sich jedoch wieder, wenn es an die religiösen Verrichtungen ging. Er machte flink und geschickt die Gebärden der verschie densten Religionen nach, warf sich auf die Erde mit dem Maul nach Mekka und ahmte die Stimme eines Mullah nach. Er machte fromme orthodoxe Kreuzzeichen und beherrschte ebenso souverän die Zeremonien der rö-misch-katholischen wie der evangelischen Gottesdiens te. Er wirkte dabei frommer als einst Pastor Huuskonen, der immerhin ein Mensch und ein Geistlicher war.
Huuskonen und Tanja waren nach Odessa gekom men, um auf einem Passagierschiff anzuheuern, aber im Hafen blieb es still, dort lagen nur Kriegsschiffe, Stück gutfrachter und ein paar Tanker. Sie würden lange auf Arbeit warten müssen.
In Solowezk hatte sich Oskari das Wodkatrinken an gewöhnt, und auch in Odessa hörte er nicht auf Tanjas Ratschläge und war nicht wirklich abstinent. Darüber gab es Zoff zwischen den beiden, was nicht verwunder lich war, denn Huuskonen becherte mittlerweile täglich. Abends war er oft so voll, dass er lang auf dem Fußbo den lag, schnarchte und wie ein Schwein stank. Darüber ärgerte sich sogar der Bär. Wenn es so weitergeht, dach te Tanja, würde sich der Pastor am Ende zugrunde richten, und das Elend wollte sie nicht mit ansehen.
»Du solltest deine Zeit besser nutzen, in diesem Zu stand bist du für niemanden eine Hilfe.«
Das stimmte. Es versetzte Oskari Huuskonen einen tiefen Stich im Herzen, und er begann zu überlegen, ob er nicht während des Wartens auf die Heuer eine ver nünftigere
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