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Ein bisschen schwanger

Ein bisschen schwanger

Titel: Ein bisschen schwanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Dunker
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haben. Ich will … «
    »Und was kannst du davon nicht, wenn du ein Kind hast?«, fragte Rabea.
    »Alles kann ich nicht!«, rief ich aufgebracht. Mit meiner Ruhe war es vorbei. »Alles, alles ist kaputt!«, brüllte ich wie ein Kleinkind, ging in die Hocke und heulte meinen Schmerz heraus.
    Rabea ließ mich. Sie strich mir seufzend über den Kopf, schloss hinter sich die Tür und sorgte dafür, dass ich in der nächsten Stunde meine Ruhe hatte.

Auge in Auge mit dem Tiger
    29. September, 18 Uhr
    Das Erste, woran ich mich wieder erinnern kann, nachdem Rabea mich allein gelassen hatte, war, dass ich mir wünschte, mein Vater erzählte seine Geschichte von dem Tiger, der nicht ausbrechen kann. Ich sehnte mich nach einem Sonntagnachmittag mit der Familie, wie es ihn, als ich jünger war, oft gab: Oma und Opa zu Besuch, Kuchen auf dem Tisch, ein spannendes Buch unter der Nase, ein paar zugesteckte Euros von Opa in der Tasche und Kuscheln auf Omas Schoß.
    Ich war doch gerade eben selbst noch ein Kind gewesen, ich konnte doch nun unmöglich eins bekommen. Das ging doch nicht!
    Plötzlich wurde mein Wunsch, die Argumente meines Vaters gegen einen möglichen Ausbruch des Tigers aufgezählt zu bekommen, so stark, dass ich irgendwann glaubte, mein Leben hinge davon ab, ihn jetzt von dem Tiger reden zu hören.
    Ich verabschiedete mich ziemlich abrupt von Rabea. Sie bot an, mich nach Hause zu begleiten, aber ich lehnte ab. Ohne Jacke rannte ich durch den Regen zum Verwaltungsgebäude des Zoos. Dort erfuhr ich, dass mein Vater sich eine Grippe zugezogen und früher Feierabend gemacht hatte, um noch beim Arzt vorbeizuschauen. Seine unerwartete Abwesenheit entsetzte mich. Zwar versuchte ich mich zusammenzureißen, aber der irritierte Blick der Sekretärin verriet, dass mir das nur unzureichend gelang.
    Glücklicherweise war Rabea mir gefolgt. Sie erfand schnell eine harmlose Erklärung für die Sekretärin und sorgte dafür, dass ich nicht wie ein kopfloses Huhn vor den Augen von Papas Kollegen in den Regen hinausstürzte.
    »Egal was du sagst, Linda, ich bringe dich jetzt nach Hause! Du bist ja völlig durcheinander.« Sie legte mir meine Jacke über die Schultern. »Komm! Los! «
    »Nein!«, protestierte ich.
    »Wohin willst du denn sonst gehen?«
    »Weg! Irgendwohin! Weg!« Meine Arme ruderten in der Luft, meine Stimme wurde schrill und kippte, meine Lungen japsten hektisch nach Luft.
    »Jetzt bleib mal auf dem Teppich!«, herrschte Rabea mich an. »Davon geht ja nicht gleich die Welt unter! Außerdem ist das Theater, das du machst, nicht gut für dein Kind!«
    Das saß. Mein Jammern erstarb.
    Ich schaute Rabea an, wie ich zuvor den roten Punkt auf dem Teststreifen angestarrt hatte. Es war mir, als hätte ich es vorhin noch nicht ganz begriffen, als würde mir die Erkenntnis erst jetzt richtig kommen. Ich erwartete tatsächlich ein Kind, einen richtigen Menschen, der schreien und lachen, laufen und mich »Mama« nennen würde.
    Das verschlug mir einfach die Sprache.
    »Nun guck nicht so entsetzt!«, sagte sie milde und lächelte ein bisschen. »Du hast es doch früh genug gemerkt. Du kannst dich in aller Ruhe entscheiden, ob du dein Kind bekommen willst oder nicht. Du bist noch so jung – wenn du dein Baby nicht willst, wird dir das keiner zum Vorwurf machen, und es ist heutzutage überhaupt kein Problem, eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Glaub mir, es ist alles nur halb so schlimm, wie es dir jetzt vorkommt.« Sie hakte sich bei mir ein und zog mich sanft mit sich. »Ich an deiner Stelle würde mich jetzt ins Bett legen oder ein heißes Bad nehmen. Mich erst mal entspannen und zu mir kommen. Das ist zwar leichter gesagt als getan, und ich hab das damals auch nicht ganz geschafft, aber … «
    Rabea verstummte und wir verließen schweigend den Zoo.
    Der Regen war ausdauernd und kräftig. Ein kalter Wind war aufgekommen, er hinterließ ein taubes Gefühl in meinem Gesicht. Von den Bäumen knallten Kastanien auf die Straße.
    Vor unserem Haus parkte Patricks Auto. Es wunderte mich nicht. Meinen Schlüssel hatte ich im Bauernhaus vergessen. Auch das wunderte mich nicht.
    Wir klingelten, der Türsummer ertönte, der Hausflur war grell erleuchtet und hallte vom Dröhnen einer Bohrmaschine wider. Im ersten Stock reparierte Melanies Vater den Rauchabzug. Torsten und Patrick standen ebenfalls im Flur und diskutierten mit ihm über irgendwelche technischen Details. Als wir an ihnen vorbeimussten, grüßten sie. Ich biss die Zähne

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