Ein bisschen schwanger
verhütet.«
»Wir ja.«
»Bitte?« Martin rieb sich über die Stirn, als bekäme er plötzlich starke Kopfschmerzen. »Willst du mich veräppeln? Linda, jetzt sag bloß nicht, du meintest das vorhin ernst. Ich war schon so in Fahrt, ich hab dir gar nicht richtig zugehört.«
»Du hast gesagt, was vor deiner Zeit war, gehe dich nichts an und sei dir egal.«
»Ja, aber … da hab ich doch nicht an so was gedacht. Ich … hey, nicht weinen … wir können doch erst mal abwarten … Vielleicht stellt sich raus, du bist gar nicht schwanger … Und dann … «
Ich machte mich von ihm los, ließ ihn stehen. Die paar hundert Meter bis zum Bauernhof rannte ich. Rabea war nicht allein im Stall, sie führte gerade eine Kindergartengruppe herum und erklärte, dass Milch nicht im Tetrapack entstehe und dass Ferkel, bevor sie zu Schnitzeln werden, auch ein Leben haben.
»Was du suchst, Linda, ist in meiner Tasche. Ich brauch hier noch zehn Minuten, dann komm ich zu dir.«
Ich nickte. Ich brauchte Rabea nicht. Es war lieb von ihr, dass sie mir den Test besorgt hatte, aber mit dem Ergebnis musste ich allein fertig werden. Ich schloss den Dienstraum auf und fand die längliche Pappschachtel in ihrem Rucksack.
Einfach, praktisch, sicher, so warb der Hersteller auf der Packung. Ich schloss mich im Klo ein und zog mit zitternden Fingern den Beipackzettel aus der Verpackung. Das Produkt hatte keine Nebenwirkungen. Es sei denn, eine klitzekleine Schwangerschaft, und in diesem Fall wurde geraten, den Frauenarzt aufzusuchen.
Gleich würde ich es wissen. Ich überlegte schon jetzt, was ich tun würde, wenn nicht nur im Kontrollfeld ein roter Punkt erschiene, was bedeutete, dass ich den Test richtig ausgeführt hatte, sondern auch in dem mittleren, größeren Feld, was bedeutete, dass das Schwangerschaftshormon in meinem Urin vorhanden war. Würde ich abtreiben? Würde ich es behalten?
Beide Vorstellungen waren gleichermaßen schrecklich, und sie regten mich so auf, dass ich vor Schreck den Test beinahe noch ins Klo hätte fallen lassen.
Vielleicht hatte ich ja Glück und war zu blöd, um schwanger zu werden!
Die letzte Nacht III
3. November
Bis auf die Lichterketten in den Fenstern ist die Stadt dunkel. Alles schläft, einsam wacht …
Wenn ich an Weihnachten denke, fröstelt es mich.
Patrick liebt Weihnachten. Im letzten Jahr stand er eines Nachmittags mit zwei vollen Einkaufstaschen vor unserer Tür, um mit mir und der Clique ein Pfefferkuchenhaus zu backen. Er war von seiner Idee ganz begeistert. Während Melanie und ich den Teig anrührten, zeichnete er Baupläne und berechnete die Maße der einzelnen Wand- und Dachteile. Als das Hexenhaus stand, formte er für Melanie aus dem Lebkuchenteig eine Katze, die er oben auf den Dachfirst setzte, und für mich legte er kunstvolle, herzförmige Muster aus Mandelsplittern auf die Dachflächen. Außerdem versorgte er unser Lebkuchenhaus natürlich mit elektrischem Licht.
Ich muss sagen, es war ein schöner Nachmittag, wir hatten alle viel Spaß, vor allem auch weil Patrick sich selbst nicht so ernst nahm wie sonst. Er alberte sogar ausgelassen über sein Superstaubsauger-Projekt herum, malte sich mit uns aus, wie die Märchenhexe in ihrem altmodischen Zuckerhäuschen mit dem modernen Gerät hantieren würde.
Erst ein paar Wochen später kam er auf die Idee, seinen bescheuerten Staubsauger »Modell Linda« zu nennen, was bei mir nicht gerade Begeisterungsstürme auslöste und ihn daher in eine seiner gefürchteten » Du-liebst-mich-nicht-mehr-Depressionen« stürzen ließ.
Aber der Pfefferkuchenhaus-Nachmittag war prima, und als unser Werk schließlich fertig war und in seinem ganzen Glanz erstrahlte und lecker duftete, Patrick mich in den Arm nahm und so laut, dass alle es hören konnten, sagte: »Wie sehr ich mich schon darauf freue, wenn wir mal Kinder haben, Linda! Wir werden die Weihnachtszeit immer ganz besonders schön für sie gestalten!«, hatte ich sogar gelächelt.
… nur das holde, hochheilige Paar,
holder Knabe mit lockigem Haar …
Wahrscheinlich würde Patrick ein guter Vater werden. Wenn er eine Frau fände, die ihn liebte und die ihm das sichere Gefühl geben würde, ihn wirklich zu brauchen und auch immer für ihn da zu sein, würde er wahrscheinlich alles für seine Familie tun. Vielleicht würde er dann irgendwann sogar lockerer werden, vielleicht würde man richtig Spaß mit ihm haben können, vielleicht würde er sich bei seiner Freundin dann auch so
Weitere Kostenlose Bücher