Ein bisschen schwanger
und furchtlos, er war auch besessen.
Das hatte mein Vater zu lange nicht erkannt, zu lange Verständnis mit dem »verliebten, überdrehten Jungen« gehabt. Jetzt rächte es sich, ihm fiel wohl nichts ein, was er noch hinzufügen könnte, und als ich nun die Farbe in Patricks Wangen zurückkehren und seine Gesichtsmuskeln ein Grinsen formen sah, fürchtete ich schon, wir hätten wieder einmal gegen ihn verloren.
Da aber räusperte sich mein Vater noch mal und sagte so ruhig und deutlich, wie es ihm unter diesen Umständen wohl nur möglich war: »Meine Tochter ist minderjährig. Sie fühlt sich von dir belästigt. Sie hat – und wir haben – dir mehrfach im Guten gesagt, dass du sie in Ruhe lassen sollst. Mit unserer Freundlichkeit ist es jetzt ein für allemal vorbei. Sehe ich dich noch einmal in ihrer Nähe … «
»Ist ja gut«, unterbrach ihn Patrick und machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich hab’s ja verstanden!« Er sah mich an. »Und dich habe ich geliebt!«, sagte er abfällig.
»Bist du dir da sicher?«, fragte ich, drehte mich auf dem Absatz um und ging die Treppen hinauf.
»Ja, da bin ich mir sicher!«, rief Patrick mir nach. »Natürlich habe ich dich geliebt, ich liebe dich immer noch, und ich habe überhaupt nicht vor, dich zu belästigen, und wenn du willst, dass ich nicht mehr herkomme, dann komme ich eben nicht mehr!«
Ich hörte, wie er die Treppen hinunterpolterte und unten die Haustür ins Schloss fallen ließ.
Dann war es still.
»Entschuldigung«, sagte mein Vater zu den Kleinschmidts, wischte sich den Schweiß von der Stirn und stieg schwerfällig die Treppen hinauf.
»Mannomann«, flüsterte Rabea. Ihr Gesicht war knallrot.
Meine Mutter war noch bleicher als vorher. Sie lehnte am Türpfosten und schloss mich, als ich an ihr vorbeigehen wollte, in die Arme.
Ich weiß nicht, wer von uns zuerst zu weinen anfing. Ich weiß nur, dass ich schrecklich erledigt war.
Die erste Nacht
30. September
In dieser Nacht fand niemand Schlaf.
Zwischen eins und zwei hörte ich, wie mein Vater sich unruhig von einer Seite auf die andere warf, hustete, stöhnte und leise fluchte.
Um drei sagte er meiner Mutter, es tue ihm Leid, dass er sie am Schlafen hindere, er werde auf das Sofa im Wohnzimmer umziehen.
»Bleib hier! Glaubst du, ich kann besser schlafen?«, zischte sie. »Immer wenn ich die Augen zumache, sehe ich diesen Patrick Garbner vor mir, wie er mich anlächelt und sagt: ›Sie werden Oma, Frau Maschewski, und ich darf wohl bald Schwiegermutti zu Ihnen sagen …‹«
Mein Vater bekam einen Hustenanfall, schnappte nach Luft. Ich hörte, wie er aus dem Bett aufstand und schimpfte: »Verdammt, ich bin ganz nass geschwitzt!«
»Wenn Linda das Baby bekommt, wird ein Gericht entscheiden, ob und wann er sein Kind sehen kann«, sagte meine Mutter.
Den Geräuschen nach öffnete mein Vater den Kleiderschrank, um einen neuen Schlafanzug herauszuholen. »Auf keinen Fall lass ich ihn in meine Wohnung«, sagte er dabei. »Anfangs hab ich den Jungen ja für ganz nett gehalten und ihm so einiges durchgehen lassen. Man will ja auch nicht immer den spießigen, verklemmten Alten rauskehren. Außerdem wollte Linda ja auch nie, dass wir uns einmischen, aber … «
»Wir hätten es verhindern können«, ergänzte meine Mutter. »Wir haben auf die Kleine nicht richtig aufgepasst, Karsten.«
»Ach, hör auf, Annette, Selbstvorwürfe helfen jetzt auch nichts mehr! Jetzt müssen wir zusehen, dass wir eine Lösung für ihr Problem finden, dass wir wenigstens jetzt alles richtig machen, dass wir ihr den Rücken frei halten.«
»Ja, ich … «
Ich hörte die weitere Antwort meiner Mutter nicht, weil ich meine Bettdecke zurückschlug, aufstand und zu ihnen hinüberging.
»Haben wir dich geweckt? Entschuldige bitte«, sagte mein Vater.
»Ich habe sowieso nicht geschlafen.«
»Dann versuch es jetzt.«
»Ich kann nicht, Papa. Ich … «
»Warum hast du denn nicht mit mir geredet?«, fragte meine Mutter. »Ich habe es dir so oft angeboten, ich habe dir sogar vorgeschlagen, die Pille zu nehmen, damit so etwas nicht passiert. Aber du sagtest immer, du würdest dich von Patrick trennen und hättest nicht vor, mit ihm zu schlafen!«
» Ich wollte mich ja auch von ihm trennen!«
»Aber dann steigt man doch nicht miteinander ins Bett,
wenn man eh mit der Beziehung abgeschlossen hat!«, rief mein
Vater, bekam wieder einen Hustenanfall und flüchtete ins Bad. Meine Mutter stand auf und nahm mich in die Arme.
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