Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein bisschen schwanger

Ein bisschen schwanger

Titel: Ein bisschen schwanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Dunker
Vom Netzwerk:
geworden war. Wenn ich an Patrick dachte, der sich in dieser Zeit glücklicherweise an sein Versprechen hielt und sich nicht in der Straße und an der Schule sehen ließ.
    Aber es gab auch andere Momente. Wenn ich den Triumph fühlte, dass Patrick es nicht wusste. Wenn ich das Gefühl hatte, nicht passiv vom Schicksal überwältigt zu sein und im Gegenteil nun alle Fäden in der Hand zu haben und selbstständig und frei diese erste wichtige Entscheidung in meinem Leben treffen zu können.
    Das waren dann sogar sehr gute Momente.

Trost
    6. Oktober
    Nicht nur ich brauchte Trost, auch Melanie hatte ihn nötig. Ich merkte es am Montagmorgen, gleich als ich sie im Treppenhaus sah, ihre Augen waren vom Weinen geschwollen, sie war stumm und bedrückt.
    Die ganze letzte Woche über hatte ich sie kaum gesehen, drei Tage hatte ich in der Schule gefehlt, weil ich mir sicher war, unmöglich in meinem aufgeregten Zustand am Unterricht teilnehmen zu können, der Donnerstag war wegen Lehrerkonferenzen ausgefallen, und in den wenigen Stunden am Freitag war ich sehr schweigsam gewesen und nach dem Unterricht gleich zu Rabea gefahren, bei der ich auch das Wochenende verbracht hatte. Eigentlich waren Melanie und ich uns nur ein einziges Mal begegnet, sie hatte bei uns geklingelt und wir hatten auf meinem Bett gesessen, eine neue CD gehört und eine Tüte Chips zusammen gefuttert. Über mein Problem hatten wir nicht gesprochen, sie hatte zwar kurz nach der »Blasenentzündung« gefragt, aber ich hatte frech gelogen, dass es mir hundertprozentig gut ginge. Damit war das Thema vom Tisch gewesen. Nachher hatte ich mich zwar geschämt, dass ich meine beste Freundin, denn das war sie ja immer noch, anlog, aber ich hatte mir nun mal vorgenommen, es vorläufig so wenig Menschen wie möglich wissen zu lassen.
    »Meine Katze ist krank«, sagte sie nun, kaum dass wir das Haus verlassen hatten. »Krebs. Der Tierarzt sagt, sie wird nicht mehr gesund. Er wollte sie am Freitag schon in der Praxis behalten und einschläfern, aber ich hab sie noch mal mitgenommen übers Wochenende und … « Melanie wischte sich eine Träne von der Wange.
    Ich blieb erschrocken stehen. »Aber als ich sie letztes Mal gesehen habe, war sie doch noch ganz munter!«
    »Nein, nein, sie verkriecht sich schon seit Wochen am liebsten unterm Sofa. Du bist einfach schon so lange nicht mehr bei uns gewesen. Ich wollte es dir auch schon am Freitag sagen, aber du warst ja das ganze Wochenende nicht da. Und deine Mutter hat mir nicht gesagt, wo du bist. Hast du immer noch Angst, dass ich dich an Patrick verpfeife? Das würde ich nicht tun! Ich sehe ihn gar nicht mehr, es sei denn, Torsten bringt ihn mal mit. Und überhaupt … meine arme Jule!«
    Melanie schluchzte auf und ich nahm sie in die Arme. »Meine Mutter will, dass wir heute Nachmittag zum Tierarzt gehen … «
    Ich drückte sie an mich.
    »Kommst du mit, Linda? Bitte!«
    Bei der Vorstellung grauste es mich. Dennoch nickte ich tapfer.
    In beiden großen Pausen kümmerte ich mich um Melanie, versuchte sie aufzuheitern, ihr zu sagen, dass Jule doch ein gutes Leben gehabt habe. Dabei dachte ich an mein Kind. Sollte sein Leben wirklich nicht länger als zwölf Schwangerschaftswochen dauern?
    Als wir mit Jule im Behandlungsraum der Praxis standen, Melanie und ich allein, weil ihre Eltern in letzter Minute doch gekniffen hatten, weinten wir zusammen, einträchtig dort im kalten Neonlicht stehend, die ruhige, noch warme Jule auf dem Arm, die Finger in das Fell gekrallt. Im Radio spielten sie viel zu laut It’s my life und die arrogante Sprechstundenhilfe machte zwar ein berufsmäßig bekümmertes Gesicht, gab mir aber trotzdem das Gefühl, dass sie unsere Heulerei übertrieben fand. Irgendwann ging sie hinaus und lachte im Nebenraum laut mit ihrer Kollegin. Da sagte ich es Melanie, ich konnte es einfach nicht mehr für mich behalten.

Wege
    8. Oktober
    Die Beratungsstelle betraten wir zu viert: Melanie, meine Mutter, Rabea und ich.
    »Oh, hallo! Sind Sie alle schwanger?«, fragte die Sozialarbeiterin amüsiert, als sie uns sah. »Das lohnt sich ja richtig! Oder doch nur eine? Ach, schade! Und welche von Ihnen ist es?«
    Ich war froh über den lockeren Ton. Wenn ich gewusst hätte, dass in der Konfliktberatung ganz normale junge Frauen sitzen, hätte ich den Begleitschutz nicht gebraucht. Obwohl Rabea mir versichert hatte, dass es gar kein Problem sei, den Beratungsschein zu bekommen, hatte ich doch insgeheim gefürchtet, vor ein

Weitere Kostenlose Bücher