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Ein bisschen schwanger

Ein bisschen schwanger

Titel: Ein bisschen schwanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Dunker
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und versuchte, heimlich beim Nachbarn abzugucken. Rabea starrte unergründlich und trübsinnig vor sich hin.
    Plötzlich wollte ich nur noch raus.
    Die Beraterin reichte mir endlich das Formular. »Du kannst jederzeit noch einmal wiederkommen, auch mehrmals, wenn du Zweifel bekommst, Rat brauchst, wir sind für dich da.«
    »Ich habe keine Zweifel.«
    »Zwischen Beratungsgespräch und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Eine Arztpraxis, die ich dir empfehlen kann, ist ganz in der Nähe. Die Leute da sind sehr nett und … «
    »Zeigen die einem das dann nachher?«, fragte Melanie dazwischen, machte große Augen, wurde rot, stammelte: »Äh, ich meine … «
    »Nein, keine Sorge, früher hat man das vielleicht getan, so als sadistischen Racheakt, aber heute, nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, und in der Praxis, die ich Ihnen aufgeschrieben habe, wird das ganz bestimmt nicht gemacht.«
    »Meiner Mutter haben sie es gezeigt! Sie hatte nach mir noch eine Fehlgeburt, es ist schon im Bauch gestorben. Sie wollte es begraben, aber das ging nicht. Meine Katze durfte ich auch nicht begraben!« Melanie schnappte aufgeregt nach Luft. »Entschuldige, Linda, ich hab meiner Mama von deinem Problem erzählt, ich war vorgestern so fertig, ich wollte es nicht, aber es kam so raus, bitte sei nicht böse, sie wird es für sich behalten, darauf kannst du dich verlassen!«
    Sie umarmte mich hektisch, und ich, perplex, ließ es geschehen.
    »Bei einer Fehlgeburt ist das etwas anderes«, sagte die Beraterin schnell, »der Fötus ist dann meist schon viel größer und die Mutter möchte sich vielleicht auch von ihm verabschieden.«
    Ich nickte stumm. Wahrscheinlich war ich bleich wie Kreide. Ich musste hier raus! Ich bekam keine Luft!
    »Du brauchst dich nicht bange machen lassen«, sagte die Beraterin, »wichtig ist nur, dass du dir über deine Entscheidung sicher bist, aber das scheinst du ja zu sein.«
    Ich nickte wieder, ergriff hastig die Türklinke.
    »Kann man sich bei einer ungewollten Schwangerschaft in dem Alter eigentlich jemals sicher sein?«, fragte Rabea, bevor ich hinauslief, »es ist doch wie mit dem Heiraten: Tu’s oder lass es, bereuen wirst du’s auf jeden Fall.«

Termin
    9. Oktober
    »Übernächsten Montag, 20. Oktober, 8 Uhr. Und morgen Nachmittag einmal zur Voruntersuchung. Der Eingriff selbst geht schnell. In zwei Stunden ist alles über die Bühne.« Meine Mutter legte mir einen Notizzettel neben meinen Teller und setzte sich an den Küchentisch. »Ein früherer Termin war nicht zu bekommen, der Arzt ist die ganze nächste Woche auf einer Fortbildung.«
    »In Ordnung. Mir wäre es zwar lieber gewesen, es möglichst schnell hinter mich zu bringen, aber es ist okay.«
    Mein Vater schwieg und sah nicht von seinem Mittagessen auf. Meine Mutter setzte sich, nahm Messer und Gabel in die Hand, aß aber nicht.
    »Was haltet ihr davon, wenn wir nächste Woche in den Herbstferien zum Abschalten an die Nordsee fahren? Einfach mal für ein paar Tage weg. Vielleicht … «
    »Mama«, sagte ich, »ich … «
    »Du hast dich entschieden, ich weiß«, unterbrach sie mich, »aber vielleicht möchte ich gar nicht über das Thema reden, sondern in erster Linie Urlaub machen. Was hältst du davon, Karsten?«
    »Von mir aus.« Mein Vater warf einen langen Blick auf den Notizzettel. »Wir machen alles, ganz wie ihr wollt. Ich bitte euch nur, Oma und Opa nichts von der Sache zu erzählen. Das wäre mir nicht recht.«
    »Warum sollen meine Großeltern nichts davon wissen? Schämt er sich für mich, oder was?«, fragte ich leicht gereizt, als ich mit meiner Mutter den Abwasch machte und mein Vater wieder in sein Büro gefahren war.
    »Neeiin«, antwortete meine Mutter gedehnt, »er hatte sich wohl schon auf ein Enkelkind gefreut. Gestern hat er deine ersten Babyschuhe aus dem Keller mit heraufgebracht, er wollte sie dir zeigen, aber du hattest gerade deinen Freund zu Besuch, da konnte ich ihn glücklicherweise davon abbringen.«
    Sie lächelte mich an, reichte mir einen frisch gespülten Teller. »Für uns ist das auch nicht so leicht, Linda. Wir wollen uns nicht einmischen, dich nicht bedrängen, nicht zwingen – doch wir haben auch unsere Gefühle.«
    »Aber es ist nicht euer Kind und ihr müsst nicht dafür da sein und sorgen!«
    »Dieses da drinnen«, sie tippte mit ihren nassen, seifigen Fingern auf meinen Bauch, »vielleicht nicht. Aber das Ganze«, sie streichelte mit ihrem Handrücken mein Gesicht

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