Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
Verantwortung.«
Noch in derselben Nacht wurde Miss Grecco von Arnold über die drohende Gefahr unterrichtet. Bei ihrer mitternächtlichen Tasse heißer Schokolade hatten sie ernsthafte Entscheidungen zu treffen. Wenn der Zustand von Elizabeth den prüfenden klinischen Augen ausgesetzt wurde, bestand die Möglichkeit, dass die Überdosis des Beruhigungsmittels, das sich langsam bei ihr auswirkte, entdeckt wurde.
»Es bleiben uns nur zwei Möglichkeiten«, sagte er nachdenklich.
»Entweder könnten wir die Dosis verringern, die wir ihr geben...«
»Daran habe ich auch gedacht«, sagte Miss Grecco.
»Oder...«
»Auch daran habe ich bereits gedacht«, sagte Miss Grecco.
Sie fielen einander in die Arme, mit jener anmutigen Bewegung, die Liebende durch lange Übung erlangen. In dieser Stellung verharrten sie etwa fünf Minuten, während Arnold irgendetwas in ihr Ohr flüsterte und die weiße Haut ihres Halses mit kleinen trockenen Küssen bedeckte. Es war wie in allen Nächten ihrer Romanze, die mit Zuneigung gesüßt und mit Gefahr gewürzt waren. Nur das Ende änderte sich plötzlich. Arnold merkte es zuerst; sein Rücken straffte sich, und geräuschvoll zog er die Luft durch die Nase ein. Miss Greccos Augen wurden groß und rund, und dann blickte sie über seine Schulter hinweg zur Küchentür. Sie stieß einen unterdrückten Laut aus, und Arnold drehte sich mit ihr um, als wollte er sich hinter ihr verstecken. Dann sah er selbst die Erscheinung, die plötzlich aufgetaucht war.
Es war Elizabeth in ihrem Nachtgewand. In ihrem weißen Gesicht, das im Halbdunkel gespenstisch wirkte, die abgemagerten Hände gegen den Türrahmen gestützt, glühten ihre Augen wie Kohlen.
»Lasst euch von mir nicht stören«, sagte sie leise, aber boshaft. »Mach ruhig weiter, Arnold.«
»Elizabeth, du hättest nicht herunterkommen dürfen.«
»Ich konnte die Glocke nicht finden. Dieser verdammte Idiot von Arzt muss sie irgendwo hingelegt haben. Deswegen musste ich selbst herunterkommen...« Sie zwang sich zu einem Lächeln; ihre Zähne sahen wie winzige Grabsteine aus. »Aber ich bin doch sehr froh, dass ich es tat. Um nichts in der Welt hätte ich dieses hübsche Bild verpassen mögen, Arnold...«
»Oh, Mrs. Bourdon«, schluchzte Miss Grecco. »Oh, Sie dürfen nicht glauben, dass...«
»Halten Sie den Mund! Von Ihnen habe ich jetzt genug. Hast du verstanden, Arnold? Restlos genug!«
»Du irrst dich«, sagte Arnold tapfer. »Miss Grecco war nur irgendetwas ins Auge geflogen...«
»Ich weiß«, sagte Elizabeth. »Du nämlich. Aber auf diese Frau wirst du dich nicht mehr stützen können, Arnold. Ich werde schon dafür sorgen, dass sie verschwindet. Morgen!«
Miss Grecco begann zu bitten.
»Das ist vollkommen sinnlos!« sagte Elizabeth. »Sie sind entlassen, Miss Grecco. Und wenn Arnold nicht mein Mann, sondern mein Angestellter wäre, würde ich ihn ebenfalls rausschmeißen. Aber er ist nun einmal mein Mann. Verstanden? Mein Mann.«
Miss Grecco drehte sich um und floh. Hilflos lauschte Arnold dem schnellen Klappern ihrer flachen Absätze, als sie über den Läufer der Treppe nach oben rannte.
»Und jetzt kannst du mir helfen«, sagte Elizabeth – müde, aber triumphierend. »Du kannst mich nach oben tragen, Arnold. Und morgen rufst du die Stellenvermittlung an und besorgst einen Ersatz für Miss Grecco. Aber diesmal werde ich mich selbst mit den Bewerberinnen unterhalten.«
»Ja, Elizabeth«, sagte Arnold.
Ralph, der Chauffeur, fuhr Miss Grecco am folgenden Nachmittag zum Bahnhof. Sie verließ das Haus in dem gleichen Kostüm, in dem sie angekommen war, und der saloppe Federhut war tief über ihre rotgeränderten Augen gezogen. Sie blickte sich auch nicht nach Arnold um, der ihre Abfahrt durch das Fenster des Wohnzimmers beobachtete; er machte einen gequälten und hoffnungslosen Eindruck. Nicht nur die Geliebte hatte man ihm genommen; auch die Retterin war verschwunden. Während er zusah, wie sie neben dem Fahrer einstieg, wusste er, dass der Reiz, der von Miss Grecco ausging, nur zu einem Teil romantisch gewesen war. Erheblich wichtiger als ihre attraktiven Beine und das hübsche Gesicht waren für ihn ihre Hilfe, ihr Verständnis und die talentierte Art gewesen, in der sie mit dem Beruhigungsmittel umging, das ihn eines schönen Tages von Elizabeth befreien sollte. Mit einem Seufzer wandte er sich vom Fenster ab und stand Elizabeth gegenüber, die im Rollstuhl saß und ihn beobachtet hatte.
»Mein armer Arnold«,
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