Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
Zeit gelassen«, murrte sie und strich die Decke über ihrem Schoß glatt. »Wenn dieses Weib, das du engagiert hast, es nicht besser macht, werde ich eines Tages vermutlich noch Hungers sterben. Nun stell schon hin – los!«
Arnold stellte das geflochtene Tablett vor sie hin und blickte auf ihre Uhr. »Es ist gleich neun. In zehn Minuten läuft ihr Zug ein; vielleicht sollte ich jetzt lieber zum Bahnhof fahren.«
»Du scheinst schrecklich besorgt zu sein«, sagte sie.
»Ich möchte nur nicht, dass Miss Grecco sich verloren vorkommt. Du kennst doch den Bahnhof Hillfield. Natürlich könnte ich auch Ralph hinschicken, wenn es dir lieber ist, dass ich bei dir bleibe.«
»Nun geh schon – geh schon«, sagte sie verdrossen, »Ich bin sehr gespannt, deine Miss Grecco kennenzulernen. Wahrscheinlich ist sie eine füllige Blondine mit zehn Daumen und einer schlechten Dauerwelle.«
»Ich bin überzeugt, dass sie dir gefällt. Die Stellenvermittlung hat sie uns sehr empfohlen, und ihre Zeugnisse hast du selbst gesehen. Du brauchst die Hilfe einer Frau, Elizabeth – das hast du selbst gesagt.«
»Ach, hör endlich mit dem Gejammer auf und geh.« Heftig klopfte sie mit dem Löffel gegen die Kuppe ihres Eis. »Und schicke sie sofort herauf. Ich möchte mir dieses Geschöpf selbst ansehen.«
Der Zug hatte, wie üblich, Verspätung. Arnold, der hinter dem Steuer des kleinen ausländischen Wagens wartete, den Elizabeth ihm zu ihrem Hochzeitstag geschenkt hatte, trommelte mit den Fingern ungeduldig gegen das Armaturenbrett. Als der Zug, statt um 9.05, endlich um 9.15 in den Vorortbahnhof rumpelte, stiegen nur drei Fahrgäste aus. Zwei davon waren Männer; der dritte war eine junge Frau mit einer hübschen Figur und einem saloppen Federhut, der ihr Gesicht verdeckte. Ein Schaffner half ihr bei ihren drei schäbigen Koffern. Aus der Ferne konnte Arnold ihre Erscheinung nicht genau beurteilen, aber er bemerkte sofort, dass Miss Grecco prachtvolle Beine hatte. Prachtvolle! Mit einem Finger strich er sich seinen dünnen eisengrauen Schnurrbart.
Als er aus dem Wagen stieg, um ihr behilflich zu sein, sah er, dass sie unter dem Mantel ein strenges Tweedkostüm trug, das Elizabeth sicherlich als ›Frühe Garbo‹ bezeichnet hätte. Irgendetwas an der Herbheit ihrer Kleidung und an der Vorzüglichkeit ihrer Beine ließ die Figur dieser Frau provozierend wirken. Arnold ertappte sich dabei, dass er darauf brannte, zu sehen, was sich unter diesem Hut verbarg.
»Guten Tag«, sagte er fröhlich. »Ich bin Arnold Bourdon, und Sie sind vermutlich Miss Grecco. Die Sache mit dem Zug tut mir leid; die Eisenbahnverbindung könnte erheblich besser sein.«
Unter dem fedrigen Hutrand hervor blickte sie zu ihm
auf. Sie war ohne das geringste Make-up. Hätte sie auch nur eine Spur davon aufgetragen, wäre eine Spur von Lippenstift auf ihre Lippen und eine Spur von Lidschatten auf ihren Augenlidern zu sehen gewesen, wäre ihr Einzug in den Haushalt der Bourdons nahezu wollüstig verlaufen. So aber war Miss Grecco lediglich eine bemerkenswert hübsche Frau, und Arnold verspürte ein Beben des Zweifels, als er an die Reaktion seiner Frau dachte.
»Ich hoffe, dass es Ihnen hier gefallen wird«, sagte er mit einem charmanten Lächeln. »Meine Frau braucht schon lange die Betreuung durch ein weibliches Wesen, also einen Menschen, der ihre Wünsche besser erfüllen kann als ich. Über ihr Leiden sind Sie sicherlich unterrichtet, nicht wahr?«
»Ja, man hat es mir mitgeteilt«, sagte Miss Grecco scheu. »Ich habe schon früher Kranke gepflegt, dachte jedoch, dass Ihre Frau mehr eine – eine Gesellschafterin benötigt.«
»So kann man es ausdrücken. Zusätzlich zu der ärztlichen Betreuung braucht sie alle möglichen kleinen Aufmerksamkeiten; Sie wissen ja, wie Frauen sind.« Er blickte sie kurz an. »Und ich hoffe sehr, dass es Ihnen bei uns gefallen wird, Miss Grecco.«
»Davon bin ich überzeugt«, murmelte sie.
Arnold fand die Unterhaltung zwischen Miss Grecco und Elizabeth genauso nervenaufreibend wie eine Geburt. Wie ein werdender Vater lief er im Wohnzimmer auf und ab und wartete darauf, dass die Schlafzimmertür im ersten Stock sich öffnete. Als dies endlich geschah, kam Miss Grecco auf ihren bemerkenswerten Beinen die Treppe herunter, und ihre blassen Wangen waren von der natürlichen Kosmetik der Empfindungen gerötet. Er erkundigte sich kurz bei ihr, aber sie hatte ihm nur die Mitteilung zu machen, dass seine Frau ihn oben zu
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