Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
als ich draußen die kleine Tafel sah, wo draufsteht, dass jeder versuchen solle zu beten, habe ich mir gesagt: Was kann ich dabei schon verlieren? Deswegen kam ich rein und hörte mir Ihre Predigt an.«
    »Und hat es geholfen?«
    »O ja, es hat geholfen, ganz bestimmt. Ich sagte mir, wenn ich so bedenke, was ich schon alles angestellt habe, und nichts hat geklappt, dann könnte ich mich vielleicht diesmal an Ihren Rat halten. Das habe ich dann auch getan, und – Junge, Junge, es hat tatsächlich geklappt, Father. Großartig hat es geklappt.«
    Augenblicke wie dieser waren es, die Father Amion mit Freude über seine Berufung erfüllten, die ihn erkennen ließen, dass die vierzig Jahre seines Dienens der Mühe wert waren. Er lächelte zufrieden, bis der Mann hinzufügte: »Sie werden es zwar nicht glauben, Father, aber am nächsten Tag hatte ich von acht Siegern sechs richtig. Sechs Sieger, darunter ein Außenseiter mit zwanzig zu eins. So was habe ich noch nie erlebt, seit ich damit angefangen habe. Bis auf zwei Dollar war ich nämlich völlig blank, und...«
    »Einen Moment«, sagte Father Amion schnell, und ihm wurde leicht schwindelig. »Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen.«
    »Wetten, Father, auf Pferde.« Als wollte er um Entschuldigung bitten, scharrte er mit den Füßen. »Ich weiß, dass Sie deswegen sicher sauer sind, denn wahrscheinlich machen Sie sich nichts aus Wetten und solchen Sachen...«
    »Meine Predigt hat Sie zum Wetten verleitet?«
    »Nein, nein, Father, das habe ich schon immer getan. Die ganze Zeit mache ich es; damit verdiene ich mir mein täglich Brot. Früher war ich mal im Gebrauchtwagenhandel, aber dann hatte ich dazu einfach keine Lust mehr. Als ich dann Ihre Tafel sah, sagte ich mir, Charlie, probier es mal, schaden kann es nicht. Und deswegen, Father, fing ich dann an zu beten. Junge, habe ich vielleicht gebetet! Gib mir einen Sieger, habe ich gesagt. Bitte, bitte, schenk mir einen Sieger!« Er grinste, glücklich wie ein Kind. »Und dann kriegte ich sechs auf einmal!«
    Father Amion, ohnehin nicht groß gewachsen, hatte das Gefühl, auf einen halben Meter einzuschrumpfen. Mit erstickter Stimme sagte er: »Ich glaube fast, dass Sie meine Botschaft nicht richtig verstanden haben, Mr. Sheridan. Ich meinte zwar, dass das Gebet Wunder wirken kann, aber doch nicht für derart egoistische Zwecke.«
    »Ein richtiges Wunder war es«, sagte Sheridan zuversichtlich. »Genau wie Sie es prophezeit haben, Father. Und das alles verdanke ich bloß Ihnen; wenn ich Ihnen also irgendwie helfen kann...«
    »Bitte! Sie leben in einem entsetzlichen Irrtum, Mr. Sheridan; es hat ein schreckliches Missverständnis gegeben. Das Gebet ist nicht für Pferderennen bestimmt; dazu ist es viel zu heilig. Sie sollen nicht für Ihre Geldbörse, sondern für Ihre Seele beten.«
    »Wusste ich doch, dass Sie sauer sein werden«, sagte Sheridan nachdenklich.
    »Nein, nein – ich bin keineswegs zornig.« Father Amion presste seine Hände zusammen und flehte stumm um Inspiration, damit er die richtigen Worte fände. »Sie müssen es folgendermaßen ansehen, Mr. Sheridan. Was wäre beispielsweise, wenn jeder Wetter zu Gott betete, dass sein Pferd gewönne? Sie wissen selbst, dass das nicht möglich ist; Sie werden sicher auch einsehen, welche Schwierigkeiten Sie dem Herrn damit bereiten. Ist das vielleicht anständig?«
    Sheridan zwinkerte mit den Augen. »Daran habe ich noch nie gedacht. Wahrscheinlich haben Sie recht, Father.«
    »Sie erkennen also, wie falsch es ist?«
    Sheridan überlegte einen Augenblick, und dann strahlte er über das ganze Gesicht. »Sicher, es wäre ziemlich schwierig, Father. Ich meine, wenn jeder darum betete, dass sein Pferd gewönne. Bloß stimmt das nicht, verstehen Sie? Keiner weiß bisher was von diesem Geschäft. Und das ist ihr Pech!«
    Father Amion seufzte. »Ich fürchte, dass Sie mich immer noch nicht verstanden haben, Mr. Sheridan.«
    »Aber dass ich weiter hierher komme, geht doch in Ordnung, nicht? Ich meine, wenn Sie wollen, dass ich nicht...«
    »Nein – nein, das habe ich damit nicht gemeint. Dies ist ein Haus Gottes, und Sie sind immer willkommen. Ich hoffe lediglich, dass Sie erkennen, wie falsch Ihre Absicht ist.«
    »Oh, falsch ist sie nicht«, sagte Sheridan fröhlich. »Ich habe es ausprobiert. Fast jedes Mal, wenn ich um einen
    Sieg gebetet habe, hat das Pferd gewonnen. Es funktioniert zwar nicht hundertprozentig, aber doch viel besser als alles andere. Wenn Sie also

Weitere Kostenlose Bücher