Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
verlassen worden sind? Keine Notiz, kein Telegramm, keinen Brief?«
»Gar nichts.« Jarvis stieß einen verärgerten Laut aus. »Ehrlich gesagt, Lieutenant, wäre es mir lieb, wenn Sie mir endlich erkärten, was Sie eigentlich wollen. Wenn Sie mich irgendwelcher Dinge beschuldigen wollen...«
»Ich beschuldige Sie keineswegs.«
»Haben Sie nicht einmal so ganz kleine Vermutungen? Winzige Spekulationen?« Er lachte. »Sie haben also doch nur das Gehirn eines Polizisten. Ich sehe förmlich, wie die kleinen Räder in Ihrem Kopf sich drehen. Aber warum sollten Sie auch nicht annehmen, dass ich – dass ich Margaret beseitigt haben könnte.«
»Davon habe ich nichts gesagt«, erwiderte Roman ernst.
»Aber gedacht haben Sie es, nicht wahr?« Jetzt lachte Jarvis laut, als bereitete es ihm ungeheures Vergnügen. »Das finde ich ausgesprochen köstlich! Sie verdächtigen mich tatsächlich des Mordes, nicht wahr? Halten Sie mich etwa für eine Art Crippen oder Landru? Vielleicht glauben Sie sogar, ich hätte sie durch den Fleischwolf gedreht und sie den Studenten als Bratwürstchen vorsetzen lassen!«
»Meiner Ansicht nach ist Mord nicht gerade komisch«, sagte Roman förmlich.
»Oder denken Sie vielleicht an Selbstmord?«
»Wenn Sie es wünschen, Professor, will ich offen sein. Wenn sich auch nur die geringste Möglichkeit andeutet, ist es meine Pflicht, Nachforschungen anzustellen. Ich bezweifle nicht, dass Sie die Wahrheit sagen, aber dennoch werden Sie zugeben müssen, dass Sie für ein derartiges Verbrechen ausreichende Motive besaßen. Und Ihr Verhalten in letzter Zeit...«
»Ja – wahrscheinlich habe ich mich tatsächlich wie ein gemeiner Schurke aufgeführt, nicht wahr? Indem ich die Unwahrheit über den Aufenthalt meiner Frau verbreitete, ihre Hüte wegwarf...«
Er lachte unterdrückt. »Aber erklären Sie mir bitte, Lieutenant, wie ich es hätte tun können! Ihren eigenen Erfahrungen nach?«
»Well…« Roman räusperte sich. »Es ist zwar nur ein Gedanke, Professor, aber meiner Ansicht nach sind Sie ein Mensch, der über genügend Möglichkeiten und Intelligenz verfügt, um eine Leiche zu beseitigen. Ich meine: mit Ihren biologischen Kenntnissen, den Kenntnissen in Chemie...«
»Aha! Sie glauben, dass meine Ausbildung mich dazu befähigt. Interessant! Also gut. Und was hätte ich beispielsweise mit der Leiche anfangen können? Sie vielleicht vergraben? Sie wissen, dass ich keinen Wagen besitze, und auf dem Buckel hätte ich Margaret nicht gut wegschaffen können. Bin ich vielleicht nachts heimlich hinausgeschlichen und habe sie im Rasen verscharrt? Mein Lieber, ich fürchte, dass meine Nachbarn das Schauspiel amüsant gefunden hätten.«
»Es gibt noch andere Möglichkeiten.«
»Vielleicht habe ich die Leiche verbrannt? Aber ich fürchte, das geht auch nicht, Lieutenant. Meiner Ölheizung hätte die liebe Frau wohl nicht ganz gepaßt. Vielleicht glauben Sie sogar, ich hätte sie zerteilt und ihre Überreste mit der Post überall hingeschickt? Wenn Sie bei der Post nachfragen, werden Sie allerdings feststellen, dass ich ganz selten auch nur eine Postkarte verschicke. Sollten Sie jedoch das Haus durchsuchen wollen, bin ich natürlich gern damit einverstanden.«
Roman fand das alles gar nicht komisch; seine Stimme klang eine Spur schärfer. »Es gibt noch andere Möglichkeiten, Professor, zum Beispiel...«
»Ungelöschten Kalk ? Mein Gott, Lieutenant, in Chemie scheinen Sie als Schüler nicht gerade aufgepasst zu haben. Trotz allem, was Sie darüber wissen, zerstört ungelöschter Kalk niemals eine Leiche; in Wirklichkeit wirkt Kalk nämlich konservierend. Natürlich gibt es eine ganze Reihe scharfer Säuren, aber können Sie sich die Schwierigkeiten bei ihrer Verwendung vorstellen? Eine tatsächlich ätzende Säure Würde nicht nur die Leiche zersetzen; sie würde auch den Behälter zerfressen – beispielsweise etwa eine Badewanne.« Er lachte trocken. »Nein, Lieutenant, die teilweise Zersetzung einer Leiche würde mir vielleicht gelingen, aber nicht die vollständige, totale Auflösung. So gescheit bin ich leider doch nicht.«
»Professor, ich glaube beinahe, Sie machen sich über mich lustig...«
»Glauben Sie? Ja, das könnte sogar stimmen.« Dann wurde seine Stimme sanfter. »Verzeihen Sie. Ich hatte nicht die Absicht, mich über die Sache lustig zu machen. Wahrscheinlich ist es meine eigene Schuld...«
»Schuld?«
»Selbstverständlich«, sagte Jarvis müde. »Glauben Sie etwa, ich hätte
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