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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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du aber ein bisschen vernünftiger reden, Sheriff! Wen wollt ihr hier festsetzen? Und was soll er verbrochen haben?«
    Der alte Mann ging zum Tisch, setzte sich auf die Kante und wischte sich mit dem Daumenballen die Stirn ab. »Das ist das Übelste, was ich bisher gesehen habe, Carlie«, flüsterte er. »Weiß der Himmel, in Frankreich habe ich damals eine ganze Menge erlebt, aber so was bestimmt nicht. Von oben bis unten zerschnitten...« Er wurde merklich blasser.
    »Eines der Fremont-Mädchen war es. Kennst du sie? Susie hieß sie.«
    »Nein, ich kenne sie nicht.«
    »Die Leute haben eine Geflügelfarm. Ihr kleiner Bruder fand sie in einem Gehölz, ungefähr eine Viertelmeile hinter dem Haus. Sie war losgezogen, um Feuerholz oder Blumen oder was weiß ich zu sammeln. Hübsch war sie eigentlich nicht, aber häßlich eigentlich auch nicht. Und wie sie jetzt aussieht, Carlie! Möge Gott dem Verrückten verzeihen.«
    »Wer ist der Mann?«
    »Er muss per Anhalter hergekommen sein – von uns hat ihn noch keiner gesehen. Er versuchte gerade, wieder mitgenommen zu werden, keine dreißig Meter von der Stelle entfernt, wo wir die Leiche gefunden hatten. Dabei haben wir ihn erwischt. Er rannte wie der Teufel, aber wir holten ihn doch noch ein. Ich meine, Sandy holte ihn ein – ich kann nicht mehr ganz so schnell rennen. Und gewehrt hat er sich, dass Sandy ihm eins mit dem Revolvergriff überziehen musste. Ein Landstreicher ist er, aber irgendwann muss er mal als Mechaniker gearbeitet haben. Er hat nämlich immer noch einen alten weißen Overall an – vorn und hinten steht Seneca Garage drauf, soweit man es noch entziffern kann.«
    »Wo steckt er jetzt?«
    »Draußen, in Sandys Wagen. Vor ungefähr zehn Minuten kam er wieder zu sich und hat uns gleich wieder ziemlich zu schaffen gemacht, aber jetzt ist er wieder ruhig. Hilfst du uns, ihn hier hereinzuschaffen?«
    »Mache ich. Und dann gebe ich wohl lieber einen Bericht an die Zentrale durch – vielleicht soll ich dann gleich rausfahren. Ist draußen noch alles so, wie ihr sie gefunden habt?«
    »Das ist doch klar, Carlie – ich weiß doch schließlich Bescheid. Zwei meiner Leute habe ich da gelassen.« Wieder sah er zu Gorwald hinüber. »Und was ist mit dem da? Was hat er gemacht?«
    »Geschwindigkeitsübertretung und Bestechungsversuch«, sagte der Polizeibeamte kurz angebunden. »Keine große Sache. Dann wollen wir mal deinen Mechaniker in die andere Zelle stecken.«
    Gorwald, der ihrer Unterhaltung gespannt zugehört hatte, fing jetzt an zu schreien und zu jammern.
    »Ich will den Richter sprechen! Ich bezahle meine Strafe, und dann lasst mich wieder frei!«
    Der alte Mann machte ein bekümmertes Gesicht. »Hör mal, Carlie, aber unter diesen Umständen... Ich meine, was ist denn das schon: ein Verkehrssünder! Glaubst du nicht...«
    »Was ist los, Sheriff?« sagte der Polizeibeamte gereizt.
    »Kommt man hier etwa mit zwei Gefangenen schon nicht mehr zurecht?«
    »Das nicht...«
    »Das wäre auch noch schöner, Montague – Gefangener ist Gefangener. Ich gehe nachher zu Richter Webster und sorge dafür, dass er verhört wird – und dann werden wir weitersehen.«
    Der alte Mann knurrte. »Du warst schon immer ein ganz verdammter Pedant, Carlie. Genauso wie damals dein Alter.« Er seufzte, ging zum Tisch und ließ sich in den knarrenden Drehstuhl fallen. »Also gut, dann bring mit Sandy den Mechaniker rein, und ich werde inzwischen versuchen, ob ich den Richter telefonisch erreichen kann. Und passt auf den Burschen auf, Carlie – das ist einer von den ganz Zähen.«
    Der Polizist ging zur Tür. Gorwald trat gegen die Gitterstäbe seiner Zelle, und der alte Mann sah zu ihm herüber wie ein wütender Puter. »Nun machen Sie mal langsam, Mister«, sagte er.
    Der Anruf des Sheriffs führte zu nichts. Gorwald konnte deutlich hören, dass das Telefon am anderen Ende der Leitung läutete, aber niemand nahm den Hörer ab. Drei Minuten später öffnete sich wieder die Tür. Der Mund des Geschäftsmannes verzog sich, als er die zusammengesackte Gestalt erblickte, die von dem Polizisten und einem stämmigen Mann mit sandfarbenen Haaren an den Armen hereingeschleppt wurde.
    Die Haare des Gefangenen waren struppig und hingen ihm über die buschigen Augenbrauen herab, ohne jedoch den drohenden Blick seiner Augen zu verbergen. Er war breit in den Schultern, jedoch nicht groß, und der verdreckte, einstmals weiße Monteuranzug, den er trug, schlotterte um seinen Körper. Er wehrte

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