Ein cooler Typ aus der Hölle
geknickt.“ Er zog es aus der
Brusttasche. „Habe vorhin Briefmarken besorgt, weil die Weihnachtspost ihre
drohenden Schatten voraus wirft.“
Sein Kuvert war vollgestopft
mit 1,10-DM-Postwertzeichen. Er nahm sie heraus, verpackte sie in die
Papierhülle einer angebrochenen Schoko-Tafel und stellte den Umschlag zur Verfügung.
„Uiih, ist das spannend.“ Gaby
übergab Tim ihren Fund. „Mach du’s bitte auf!“
9. Dowaras nützlicher Idiot
Dirk Dowara warf den kurz
gerauchten Zigarrenstumpen durchs Seitenfenster auf die Fahrbahn, bog ab und
rollte auf den mit Mauern umfriedeten Hof neben einem großen Gebäude. Es war
ein schmuckloses dreistöckiges Stadthaus — hinter den meisten Fenstern brannte
Licht.
Dowara stoppte seinen Landrover
vor flachen Bauten im Hintergrund. Sie sahen aus wie die Lagerräume eines
Import-Kaufmanns und als solcher firmierte Gerald Heer auch nach außen hin: als
Importeur von Billigradios und Computer-Schnickschnack aus Fernost. Aber das
war nur Tarnung, obwohl tatsächlich einige Geschäfte liefen und auch ein
auskömmlicher Verdienst abfiel.
Unvergleichlich besser sahnte
Heer als Dealer ab, als Spielclub-Betreiber, als Hehler von Diebesgut,
Geldverleiher und Erpresser. Heer war Dowaras Boss, bekannt im
Weststadt-Schulzentrum als der Geier.
Dowara stieg aus. Es war kälter
geworden. Auf dem Wagendach hatte sich Eis gebildet.
Er ging nach hinten, öffnete
die Hecktür, nahm den Schraubenzieher aus einer Werkzeugkiste und montierte die
Nummernschilder vom Wagen ab, hinten und vorn.
Sie waren gefälscht. Er hatte
sie angebracht für den Fall, dass irgendwas schief lief und sich Martin Mcfish
die Kennzeichen einprägte. Sollte er. Den Wagen und seinen Halter würde man so
nicht ermitteln.
Ein nützlicher Idiot, dachte
Dowara grinsend, macht für mich den Boten und weiß nicht, wofür.
Er brachte die Originalschilder
an und schloss den Wagen.
Die Haustür wurde geöffnet.
Heer, der Geier, stand vor dem Licht der Flurbeleuchtung.
„Ich dachte, du bist heute
Nacht unterwegs.“
„Bin ich auch.“ Dowara wandte
sich zum Haus. „Ich freue mich schon drauf. Aber erst muss ich mal aufs Klo.“
Heer war mittelgroß, eckig gebaut und wurde im Januar 41. Der Kahlschädel
beruhte teils auf Haarausfall, teils auf konsequenter Rasur. Ein fleischiges
Gesicht, fast ohne Brauen und Wimpern, aber mit hufeisenförmigem Schnurrbart.
Heer trug immer einen Anzug,
meistens Nadelstreifen-Zweireiher in Dunkelblau, Grau oder Braun. Er legte auch
zu Hause die Jacke nicht ab und der Knoten der Seidenkrawatte war stets ein
exaktes V. Anders fühlte sich der Geier nicht wohl.
Dowara hätte darauf gewettet,
dass sein Boss erst nach dem Zähneputzen das Jackett auszog und auch seine
Pyjamas gestreifte Zweireiher waren. Ansonsten liebte der Geier Geld,
Luxusautos, Manschettenknöpfe mit Diamanten und respektvolle Anrede wie Boss,
Chef, großer Meister und King. Er war ledig und lebte auch so. Nach dem
Hauptschulabschluss vor zweieinhalb Jahrzehnten hatte er als Fensterputzer
gearbeitet. Mehr war über ihn nicht bekannt.
Dowara trat hinter ihm ins
Haus.
Die Zimmer im Parterre galten
als Geschäftsräume, in der ersten Etage wohnte Heer, Dowara lebte mit
wechselnden Freundinnen im dritten Stock. Zur Zeit war er Single.
„Siehst zufrieden aus“, meinte
Heer. Er sprach leise und hustete häufig, was mit seiner chronischen Bronchitis
zu tun hatte. „Hast du was angeleiert?“
„Ich habe mir einen gewissen
Bruno Wienerfeld als Goldesel ausgeguckt.“
„Ach ja?“
„Du kennst ihn?“
„Nie gehört.“ Heer hustete.
Dowara trat einen Schritt
zurück. Im Allgemeinen prahlte er damit dass nichts auf der Welt ihn
verunsichern könne. Aber das stimmte nicht. Bakterien und Viren machten ihn
nervös bis zum Schweißausbruch. Wer in seiner, Dowaras, Gegenwart nieste,
musste mit blutiger Nase rechnen. Bei seinem Boss traute er sich das natürlich
nicht.
„Ich kenne ihn aus meiner
Züricher Zeit. Aber nur vom Hörensagen. Dort hat er gedealt, war ein
mittelgroßer Abnehmer bei der Mezzo-Konnäktschen. Die hat damals ziemlich gutes
Heroin aus dem Nahen Osten rangeschafft. Manche Dealer haben es auf dreifache
Menge gestreckt und die Junkies waren immer noch high. Bekannt war Wienerfeld
aber vor allem wegen seiner Neigung zum Ballermann. Der Typ ist ein guter
Schütze, wollte immer Jagen, hat aber nie den Jagdschein gekriegt. Ich schätze
mal, er wildert. Außerdem trägt er Auseinandersetzungen mit
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