Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
weiß, was ich darauf antworten soll. Allerdings frage ich mich, wie sie davon erfahren hat. Ich habe mit niemandem aus dem Dorf darüber gesprochen.
»Geht es dir gut? Brauchst du etwas? Du musst nur fragen, ich helfe dir gern.«
»Mir geht es schon viel besser. Aber vielen Dank für das Angebot«, erwidere ich und erstarre beim Anblick von Mrs Palmer, der Schulleiterin – oder Frau Direktorin, wie sie immer noch genannt werden möchte.
»Sie wirkt immer so klug«, fährt Liz fort, als könne sie meine Gedanken lesen. »Mit ihrem maßgeschneiderten gelben Wollmantel hat sie etwas von der Queen an sich, findest du nicht?«
Ich muss lachen. Und es fühlt sich ziemlich gut an, mit einem Erwachsenen herumzualbern. »Obwohl die Perlen eher an Diana erinnern, oder? Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie den Erstklässlern hinterherläuft«, lache ich.
Ich blicke an meinem schwarzen Vintage-Baumwollkleid hinunter und entdecke Essensflecken und Handabdrücke von Daisy rund um den bestickten Rocksaum. Ich sehe mindestens genauso unordentlich und schlampig wie ein Erstklässler aus. Außerdem würde sich Mum im Grabe herumdrehen, wenn sie wüsste, dass ich ihr einst sehr elegantes Abendkleid aus den Sechzigern nun mit einem dicken Pullover darunter trage – ich besitze nicht genügend Oberweite, um es ohne Pullover darunter tragen zu können …
»Ja, aber wir sind sehr froh, sie zu haben«, antwortet Liz und sieht zu Mrs Palmer hinüber. »Als sie die Schule vor ein paar Jahren übernommen hat, hatte diese keinen guten Ruf mehr. In den Schulrankings rangierte sie ganz weit unten – was ich aber eigentlich nicht so eng sehe«, fügt Liz hastig hinzu. »Mark sagt immer, dass sie die Schule fast schon zu ihrer eigenen Privatschule gemacht hat, nur dass sie nicht privat ist! So musste er nicht erst großartig mit sich ringen, ob wir Kate auf diese Schule schicken oder nicht.«
»Adi hat immer viel zu viel Arbeit um die Ohren, um sich mit der Erziehung der Kinder zu befassen«, gestehe ich und habe sofort das Gefühl, mich ihm gegenüber ein wenig treulos zu verhalten.
Als könne sie wieder meine Gedanken lesen, fährt Liz fort. »Bei der Erziehung unserer Kinder hat auch Mark nicht viel zu sagen. Auf Partys diskutiert er lieber generelle Erziehungsprinzipien. Aber wie dem auch sei, ich muss leider los. Bis später!«
Es ist Viertel nach neun, und Daisy und ich haben noch einen langen, grauen Februartag vor uns. Wenn ich mich für den langen Heimweg über den Reitweg entscheide, vielleicht schläft sie dann dabei ein und ermöglicht es mir so, eine Stunde lang den Unterricht für den nächsten Montag zu planen.
Als ich den Buggy unter unser Vordach schiebe, schläft Daisy tief und fest unter der Patchworkdecke, die Adis Mum Pam uns zu ihrer Geburt geschenkt hat. Ebenso sehr, wie Adi die Decke mit ihren bunten Strickquadraten wahrscheinlich verabscheut, liebe ich sie.
Ich mache mich auf den Weg in den Wintergarten und hole all meinen Kram hervor. Erst da bekomme ich Bedenken wegen Kindsräubern und schiebe den Buggy lieber nach drinnen, wobei ich hässliche Reifenabdrücke auf dem Teppich hinterlasse. Daisy beginnt sich zu bewegen. Ich bin überzeugt, dass es ihr wie mir ergeht und sie es nicht ausstehen kann, drinnen im Cottage zu sein. Hier ist es trüb-dunkel, und selbst an einem der seltenen sonnigen Tage müssen wir immer das Licht anschalten – was insbesondere für Adi mit seiner saisonal-affektiven Störung (auch Winterdepression genannt) nicht gerade förderlich ist. Tageslicht kommt hier nämlich kaum welches herein.
Ich erinnere mich noch gut an die regnerischen Tage mit Lilly in London, als ich bei einem solchen Wetter immerhin noch in ein Café, ein Geschäft oder eine Galerie flüchten konnte. Plötzlich scheint das alles eine halbe Ewigkeit her zu sein. Hier gibt es keine Möglichkeit, vor den langen, einsamen Wintertagen Reißaus zu nehmen. Ich komme mir wie eine Gefangene vor. Ich muss raus aus diesem Haus, weg von hier, egal wohin.
Mit Daisy im Buggy drehe ich mich wieder um, fahre zurück nach draußen und die Ferry Road hinunter, vorbei an matschigen Feldern in Richtung des Flusses. Ich weiß, dass Reedby im Grunde sehr hübsch ist; der weite blaue Himmel scheint direkt aus einem Gemälde von John Constable entsprungen zu sein. Das Sumpfland wirkt auf gewisse Art und Weise richtig romantisch. Es ist einfach nur schade, dass es niemanden gibt, mit dem ich diese Eindrücke
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