Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
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Eine spannende Frage wirft Reedby jedoch auf. Wer sind diese seltsamen Männer, die immer in Zweiergrüppchen auftauchen und durch das Dorf ziehen? Gerade kommen mir wieder zwei Männer entgegen, und wie immer nicken sie mir freundlich zu und lächeln. »Guten Morgen!«, rufe ich. Vielleicht sollte ich Liz fragen, wer diese Männer sind. Bald schon hebt sich meine Laune. Ich habe schon immer den Hang gehabt, ein wenig launisch zu sein. Ich rege mich schnell auf, bin aber hinterher genauso schnell wieder guter Dinge. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur ein oberflächlicher Mensch?
Beobachten diese Männer möglicherweise nur Vögel? Immerhin befinden wir uns in der Nähe eines Vogelschutzgebietes der RSPB, der Royal Society for the Protection of Birds. Dies war sogar extra in der Maklerbeschreibung unseres Hauses erwähnt worden. Als ob sich jemand tatsächlich nur dazu entscheidet umzuziehen, um in der Nähe eines Vogelschutzgebietes zu wohnen. Obwohl Adi natürlich schnell bei der Sache war: »Das bedeutet, dass es in Reedby ein großes Gebiet gibt, das nicht bebaut werden kann. Wir werden also in einem echten Dorf wohnen – Schluss mit Vororten und Randbezirken!«
Aber wo sind dann bitte ihre Ferngläser? Während ich die Männer beobachte, fällt mir diese Frage auf. Außerdem haben sie etwas an sich, das ganz und gar Reedby-untypisch ist. Sie sind deutlich lässiger und moderner gekleidet als der Rest, und sie sind ausgerüstet, als sei ein Spaziergang rund um Reedby herum eine Art Überlebenstraining. Sie scheinen alle zur gleichen Sippe zu gehören, und ich fange an, ihre Eigenschaften aufzulisten: dicke Pullover, die unter ihren Outdoorjacken hervorscheinen, gegerbte Wanderschuhe, ungekämmtes, zerzaustes Haar, das unter ihren regenbogenfarbenen Wollmützen hervorquillt.
Ich könnte daraus eine Aufgabe für meine Schüler machen! Sie könnten sich eine Person aussuchen, egal ob Freund, Familienmitglied oder ein Star, und dann deren Kleidung, Accessoires, Haarschnitt etc. auflisten und so eine Art Gruppenzugehörigkeit herausfinden. Ist die Person ein Rebell? Ein Hippie? Otto Normalverbraucher? Fashionfreak? Dies scheint eine hervorragende Aufgabe für meine Mode- und Textilschüler zu sein. Außerdem werden sie diese Untersuchung ganz bestimmt mögen. Dabei können sie nämlich sich selbst und ihre Familie unters Auge nehmen. Oder sie könnten sich aufmachen und Leute beobachten. Ein hervorragendes Beispiel für individuell gestaltetes Lernen – Curtis Lampard wird es lieben! Vielleicht wird das sogar ausreichen, um mein Ansehen wieder aufzupolieren.
Der Unterrichtsplan ist so gut wie erledigt. Aber eben noch nicht ganz. Es genügt leider nicht, nur darüber nachzudenken, was ich tun will. Ich muss beweisen können, dass ich darüber nachgedacht habe. So muss ich für alle Eventualitäten vorbereitet sein, weshalb ich das Konzept später schriftlich formulieren werde. Nicht kleckern, klotzen – das ist die Devise. Ich muss alles getippt vor mir liegen haben, erst dann ist es real. Die Arbeit hört einfach nie auf, es kommt mir fast vor, als sei in Wirklichkeit ich diejenige, die Tonnen von Hausaufgaben zu erledigen hat.
Ich kann es nicht fassen! In der Ferne sehe ich, wie einer der eben beschriebenen Männer über einen Zaun klettert. Der Mann ist sehr groß und trägt ein leuchtend buntes Hemd. Er unterscheidet sich von den anderen Männern und muss ziemlich frieren. Was aber meine Aufmerksamkeit auf ihn lenkt, ist nicht so sehr der Mann selbst, sondern sein Hemd: Es ist mit einem rot-türkisfarbenen Paisleymuster versehen.
Sofort eile ich den Weg ins Moor zurück. Von meinem neuen Blickwinkel aus erscheint mir das Hemd genau so, wie ich es mir gedacht habe. Es ist ein Paisleymuster im Vintagestil in Karminrot mit einem Hauch dezentem Türkis – ganz hell (eine meiner Lieblingsfarben) – von Liberty’s. Seit meiner Studienzeit ist das Liberty’s, das sich in der Regent’s Street fast ein wenig zu verstecken scheint, mein absolutes Lieblingsgeschäft in London. Meiner Meinung nach können die großen Namen wie Harrods, Harvey Nicholls oder Peter Jones mit Liberty’s oberster Etage nicht mithalten, die mit all den Stoffen und Kurzwaren ein riesiges Spektrum an Farben und Strukturen zu bieten hat.
Mir ist klar, dass es in ganz England nur einen Mann gibt, der ein solches Hemd tragen würde. Ich spähe durch die Hecke. Daisy, jetzt fang bloß nicht an zu weinen! Er ist es! Ich
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