Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
weiß es ganz genau. Chris Taylor, an den ich seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gedacht habe. Ich erinnere mich noch genau an jenen Tag, an dem wir jeden Shop auf der King’s Road auf der Suche nach diesem perfekten Hemd abgeklappert haben – und er trägt es immer noch! Allein sein Anblick gibt mir schon das Gefühl, wieder ein normaler Mensch zu sein. Mein altes Ich meldet sich zurück, und ich vergesse einen Augenblick lang, hier draußen inmitten des völligen Nichts gefangen zu sein.
Bei genauerer Betrachtung war ich eine viel schlechtere Schülerin als die meisten Jugendlichen, die ich heute unterrichte. Oft habe ich den Unterricht geschwänzt. Es war ja nicht unser Fehler, dass die Chelsea School of Art sich in unmittelbarer Nähe der King’s Road befand und wir darum einen Bummel zu den fantastischsten Kleiderläden praktisch unternehmen mussten , nicht wahr? Dies diente stets als Entschuldigung.
Am Tag, an dem wir das Paisleyhemd kauften, haben wir es gar nicht mehr bis ins College geschafft. Eigentlich hatten wir gar nicht vorgehabt, einen ganzen Tag lang zu schwänzen; es war nur einfach so, dass sich jede noch so kleine Boutique als eine neue Welt der Stoffe, Farben und Muster entpuppte, die sich deutlich von den gewohnten Modeketten unterschied. Das Tolle war die Einzigartigkeit eines jeden Stücks, als sei alles eine Spezialanfertigung. Es war ein geradezu ekstatisches Gefühl, wir kamen uns wie berauscht vor angesichts der Schönheit der Dinge um uns herum. Nie zuvor war ich mit einem Mann zusammen einkaufen gewesen. Da, wo ich herkam, gingen die Jungs keine Klamotten kaufen. Die Jungs aus meiner Jugendzeit verbrachten ihre Zeit damit, in Musikläden herumzuhängen und Platten zu durchstöbern. Nie im Leben hätte auch nur einer von ihnen je einen Gedanken daran verschwendet, sich in eine Boutique zu wagen.
Chris und ich hatten einen Mordsspaß, Kleider anzuprobieren, die wir uns eigentlich gar nicht leisten konnten. Selbst die Kleidung aus den Secondhandläden war mit unserem Studentendarlehen kaum zu bezahlen. Ich hatte das Paisleyhemd als Erste entdeckt. Chris ist mir in die winzige Umkleidekabine gefolgt. Wir waren erst seit ein paar Wochen zusammen, doch über Knutschen in der Collegebar waren wir noch nicht hinausgekommen. Vor dem bodenlangen Spiegel kam ich mir ziemlich nackig vor und fühlte mich eher wie eine der hässlichen Stiefschwestern. Ich betete, dass das Hemd passen würde, doch die langen Ärmel reichten mir weit über die Fingerspitzen hinaus.
»Ich will es«, erklärte Chris. Ich hielt es zunächst für einen Scherz, doch insgeheim war ich froh, dass er sich mehr auf das Hemd als auf mich zu konzentrieren schien – denn mir war ziemlich peinlich, wie entblößt meine bleiche, durchschnittliche Figur im harten Licht der Umkleidekabine wirkte. Chris schnappte sich das Hemd, und wie bei Aschenputtel und dem Schuh passte es ihm wie angegossen. Die Verkäuferin packte es sorgsam in Seidenpapier und anschließend in eine Papiertüte ein. Chris zog das Hemd gleich darauf schon an, und ich weiß noch genau, dass wir den restlichen Tag damit verbrachten, immer wieder vom Regen draußen in die verschiedenen Geschäfte zu flüchten, von Kleiderläden über Innenausstatter bis hin zu Fliesengeschäften in der Fulham Road. Für mich war es der perfekte Shoppingtag; dazu trug natürlich auch die Tatsache bei, dass die Augen der Verkäuferinnen Chris auf Schritt und Tritt folgten, und jede von ihnen darum wetteiferte, ihn bedienen zu können. Doch er war bereits vergeben. An mich. Endlich gehörte Laura Lovegrove zu den angesagten Leuten! Leider muss ich aber auch hinzufügen, dass dies der Tag war, an dem eine Dame in den fünfzigern mit sehr gepflegtem Aussehen Chris ansprach, als wir gerade einen Laden verlassen wollten und Chris das Paisleyhemd über seinem T-Shirt trug.
»Ich bin Talentsucherin für die Agentur Models One «, erklärte sie. »Hier ist meine Visitenkarte. Kommen Sie doch mal vorbei, wenn Sie Interesse haben.« Natürlich war dies der Anfang vom Ende für Chris und mich. Er stieg in eine ganz andere Liga auf – und war bald schon von Models in Paris und Mailand umgeben.
Ich schiebe Daisy wieder auf unsere Straße, während ich in Gedanken immer noch bei Chris und den Läden in der King’s Road bin. Wir haben immer verächtlich auf alle Leute herabgesehen, die ihre Klamotten bei den großen Modeketten auf der Hauptstraße kauften. Was waren wir doch für
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