Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
ist?
Ich lasse Daisy mit ihrer Eisenbahn spielen. Dies ist das einzige Spielzeug, das Adis Kindheit überstanden hat. Lilly durfte damit nie spielen. Ich denke, Adi hat nach der Geburt unserer zweiten Tochter die Hoffnung auf einen Sohn aufgegeben und Daisy darum seine Eisenbahn geschenkt. Wenn man den Worten eines Professors im Radio Glauben schenken will, bin ich wahrscheinlich zu anspruchslos und bringe nicht den nötigen Ehrgeiz auf, um einen Sohn zu bekommen. Offenbar bringen nämlich sehr gestresste und ambitionierte Frauen hauptsächlich Jungen auf die Welt; wenn der Mann derjenige in der Ehe ist, der gestresst und voller Ehrgeiz ist (wie zum Beispiel Chirurgen und Piloten), dann wird es eine Tochter. Adi war schon immer der gewissenhafte Ernährer unserer Familie.
Durch die Glastür des Wintergartens hindurch beobachte ich Daisy, während ich an meinen Blumenmustern noch ein paar Änderungen vornehme. Als ich gerade das Kabel des Föns entwirre, kommt Daisy in mein Studio gelaufen. Zwischendurch tue ich immer wieder so, als würde ich Friseur spielen, und trockne Daisys nasses Haar, während ich in Wirklichkeit meine noch nassen Malereien trockne – was die einzig wahre Funktion eines Haarföhns ist, wie jeder Textildesigner gern bestätigen wird.
Ich koche zwei Tassen Kaffee – eine für mich und eine für die Entwürfe, genauer gesagt für die »trübe« Männerkollektion. Das ist der Teil meiner Arbeit, den ich besonders liebe. Zwar habe ich keine Ahnung, ob es wirklich funktionieren wird, aber was soll’s? Mit einem Schwamm tupfe ich die braune Flüssigkeit über die Gemälde. Schon jetzt sehe ich bildlich vor mir, wie Adi ein Hemd mit diesem Muster trägt. Es entspricht genau seiner Farbpalette: Braun, Beige, Hellbraun, Khaki und Dunkelgelb würden hervorragend zu seinen grünlich-haselnussbraunen Augen passen. Wenn er sich denn dazu hinreißen lassen könnte, ein gemustertes Hemd zu tragen anstatt immer nur sein geliebtes Ton-in-Ton. Ich will einen Schluck Kaffee trinken und merke, dass ich stattdessen einen großen Schluck des khakifarbenen Wassers zu mir genommen habe. Reflexartig spucke ich alles über meinen camouflageartigen Blätterentwürfen wieder aus.
»Wow! Komm mal her, und sieh dir das an, Daisy!«, rufe ich ins Wohnzimmer hinein. Daisy sieht jedoch nicht von Thomas, der kleinen Lokomotive auf. Warum spielen Kinder eigentlich so fröhlich weiter, wenn man sich ein einziges Mal ihre Aufmerksamkeit wünscht? Wenn ich dann allerdings wieder weiterarbeiten will, dann werde ich auf einmal so viel interessanter sein als Thomas, die kleine Lokomotive. Ich nutze die Zeit, die Daisy in ihr Spiel vertieft ist, und schnappe mir ein paar der Iris- und Gänseblümchenentwürfe. Im Waschbecken spüle ich sie mit klarem Wasser ab. Ja! Das Muster ist beinahe ausgewaschen, aber nicht ganz. Perfekt! Danach folgt wieder der Zirkus mit dem Haarfön, anschließend scanne ich die Entwürfe ein und schicke sie per Mail an Gill.
Mein Blick fällt auf die Uhr. Seit beinahe zwei Stunden habe ich nonstop gearbeitet, und mein schlechtes Gewissen meldet sich zu Wort. Ich sollte etwas mit Daisy spielen. Darum setze ich mich neben sie auf den Teppich, baue Schienen um und beschließe, wo der Bahnhof errichtet werden soll. Mit der Eisenbahn zu spielen ist wirklich nicht mein Ding. Wie können Daisy und Adi bloß einen ganzen Morgen lang begeistert mit der Eisenbahn spielen?
Daisy sieht zu mir hoch und grinst mich breit an, sodass ihre Grübchen zu sehen sind. Ich ziehe sie zu mir herüber und gebe ihr einen Kuss. Einen dicken, spontanen Kuss, für den Daisy beinahe schon zu alt ist.
Als das Telefon klingelt, flitzt Daisy durchs Zimmer in den Flur und schreit in den Hörer: »Wer ist da?«
Während ich mit Daisy kämpfe, rufe ich ebenso laut: »Einfach mit ihr weiterreden, dann verliert sie das Interesse!« Was ganz nützlich ist bei Werbeanrufen, denn spätestens an diesem Punkt wird am anderen Ende der Leitung aufgelegt. Wenn aber jemand am Telefon ist, den ich beeindrucken will, ist das Ganze wiederum nicht ganz so toll.
»Hallo!«, begrüße ich den unbekannten Anrufer. »Tut mir leid.«
»Hallo Laura!«, erwidert Gill. Schon beim Klang ihrer stets euphorischen Stimme sinkt mein Mut. Gill ruft nämlich immer nur dann an, wenn etwas nicht stimmt: Entweder hat sie Kunden, die nur sehr schwer zu beeindrucken sind, oder es müssen noch in letzter Minute Änderungen vorgenommen werden.
»Welch ein
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