Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
das Ziel erreicht war. Das Klappern meiner Absätze auf unserem Weg zur U-Bahn habe ich geliebt. Dies galt immer als ein Signal für den Beginn eines aufregenden Abends in der Stadt. Selbst auf den dünnsten Pfennigabsätzen konnte ich die Rolltreppe am Leicester Square sicher und unfallfrei bewältigen.
Die High Heels in ihrem metallischen Rot und die überkreuzten Riemchen erinnern mich an die goldenen und silbernen Schuhe, die Mum immer zu Tanzabenden getragen hat, als ich noch klein war. Ich habe immer noch den Anblick vor Augen, wie sie sich mit ihrem goldenen Lamékleid und der passenden Handtasche für die Dauer eines Abends in einen Star verwandelt hat. Wir sind heutzutage alle viel zu langweilig geworden, weil wir die gleiche Jeans und das gleiche Oberteil zu jeder Gelegenheit anziehen.
Adi hat mit dieser ganzen Schuhwechselaktion nichts am Hut und ist schon im Pub. Seine gewachsten Timberland-Boots sind wie dafür gemacht, den Matschweg hinunter bis zu Reedbys Pub, dem Ferry , zu waten.
Schon als ich den Pub betrete, weht mir der Geruch von Pommes frites entgegen. Ich sterbe vor Hunger! Seitdem die Mädchen auf der Welt sind, habe ich mich daran gewöhnt, gemeinsam mit ihnen um Punkt 18 Uhr zu Abend zu essen. Wie alle anderen Erwachsenen erst um 20 Uhr zu Abend zu essen, bin ich gar nicht mehr gewohnt. Darum werde ich das Gefühl nicht los, dass die Zeit fürs Abendessen eigentlich schon vorbei ist. Denn ich musste für die Mädchen und Adis Mutter kochen, aber wenigstens habe ich es geschafft, mich zurückzuhalten und nicht mit ihnen mitzuessen, obwohl ich mittlerweile so viel Hunger habe, dass ich mir wünschte, ich hätte etwas gegessen. Ganz besonders, als ich das in Soße ertränkte Gemüse und die blasse, kraftlose Pastete sehe, die auf dem Teller am Nebentisch übrig geblieben ist.
»Ich dachte, die leben abstinent«, stellt Adi fest und sieht enttäuscht zu der Gruppe aus dem Buddhistenzentrum hinüber, die an der Theke aufgetaucht ist.
»Ist das dieser Sanjay?«, flüstere ich und deute verstohlen auf einen kleinen, dunkelhäutigen Asiaten an der Bar.
»Natürlich. In Reedby bekommt man ja sonst kaum Mitglieder anderer Nationalitäten zu Gesicht«, erwidert Adi und winkt Sanjay lächelnd zu.
Auch Chris Taylor ist hier. Er unterhält sich lachend mit den anderen und trinkt ein Pint. Dabei dachte ich, er sei weggefahren, weil er mir seit ein paar Tagen keine Mail geschickt hat. Die Männer sehen allesamt so entspannt und lässig aus. Ein Teil von mir wünscht sich, wir könnten uns zu ihnen setzen, anstatt den Abend als verheiratetes Pärchen allein zu verbringen. Früher haben Adi und ich Pärchen wie uns verachtet – Ehepaare, die sich nichts mehr zu sagen haben, oder sich dann, wenn sie einmal miteinander reden, doch nur zanken. Außerdem würde ich beinahe alles dafür tun, eine Hand voll von ihren Pommes zu essen.
Adi hat mich noch kein einziges Mal angelächelt. Aus irgendeinem Grund ist er ziemlich angespannt. Ich kenne diesen Blick – neue Leute oder Gruppen liegen ihm nicht, und er wünscht sich wahrscheinlich gerade, er wäre irgendwo anders hingegangen, wo es ein wenig anonymer zugeht, wie zum Beispiel in dem indischen Restaurant in Norwich. Vielleicht sollte Sanjay mal kurz zu uns rüberkommen und ein paar Atemübungen mit ihm machen.
Ich werfe einen Blick auf die Tafel mit den Tagesgerichten.
»Das Angebot hier ist ja ziemlich altmodisch«, stelle ich fest. »Sieh mal, es gibt Krabbencocktail, frittierte Pilze, Schwarzwälder Kirschtorte, Trifle nach Art des Hauses …«
»Hör zu, Laura, ich kann die Karte selbst lesen«, erwidert Adi gereizt.
Die Kellnerin kommt zu uns, und ich nehme mir einen Augenblick Zeit, um mir reiflich zu überlegen, ob ich lieber gefüllte Champignons oder den Krabbencocktail als Vorspeise wählen möchte.
»Laura, ich nehme die gefüllten Champignons, dann nimmst du den Krabbencocktail – dann kannst du beides probieren«, schlägt Adi vor. Nachdem wir endlich unsere Bestellung bei der Kellnerin im Teenageralter abgegeben haben, lehnen wir uns schweigend zurück.
Kurz darauf wird mir mein Krabbencocktail serviert. »Es ist, als sei man in die Siebzigerjahre zurückversetzt«, stelle ich in dem verzweifelten Versuch fest, ein Gespräch zu beginnen.
»Du kannst dich doch an die Siebzigerjahre kaum erinnern«, entgegnet Adi. »Aber hast du nicht ein Kleid, auf dem Krabben zu sehen sind?«
»Nicht mehr. Aber natürlich kann ich mich noch an die
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