Ein Daemon kommt selten allein
laufen. Ich hatte sie gebraucht, und sie hatte mich verlassen. Ich würde Großmutter nicht genauso im Stich lassen.
»Nein, Mama«, stellte ich klar und wischte meine Nase an Dimitris T-Shirt ab, »ich werde Vald gegenübertreten. Willst du wirklich etwas bewirkenDann hilf mir!«
Sie fummelte in ihrer Handtasche herum; ihre Make-up-Döschen klapperten aneinander, während sie durch Lippenstifte und wer weiß was wühlte. »Hier.« Sie hielt mir ein lippenstiftbeschmiertes Taschentuch hin. »Putz dir die Nase.«
Igitt. Diese Krankheitserreger-Magneten hätten mit der Erfindung von Kleenex verboten werden sollen. Aber Mama schien bereit, mir die Nase zu putzen, falls ich sie ließe. Ich entdeckte eine sauber aussehende Stelle und tupfte der Höflichkeit halber an meiner Nase herum. Das Taschentuch roch nach Jasmin gemischt mit Essiggurke. Seltsam. Mama holte schwach Luft, während die Welt um mich herum schwarz wurde.
KAPITEL 19
Ant Eater verpasste mir einen Schlag auf den Kopf. »Muss ich denn jede verdammte Sekunde auf dich aufpassen«
Ich legte die Arme über meine Augen und kämpfte gegen einen Jahrhundertkater an. Mein Schädel fühlte sich auf dem harten Holzdeck so schwer an wie ein Anker. Ich hatte meine Mutter gefunden, und sie … dieses Miststück … hatte mich betäubt. »Nehmt euch vor Phoenix in Acht«, murmelte ich. »Sie hat ein Taschentuch.«
»Hast du sie mit einem Hirn-stehl-Fluch getroffen«, fragte Frieda.
»Ich würde ihr mit Vergnügen etwas viel Schlimmeres an den Kopf schleudern«, entgegnete Ant Eater und stieß mich mit dem Zeh an. Ich blinzelte. Die untergehende Sonne warf tiefe Schatten über das Deck der Dixie Queen . Ant Eater, Frieda und etwa sechs weitere Hexen standen über mir und bildeten einen Kreis neugieriger Gesichter. Ant Eaters Nase war mit einer zeltförmigen weißen Bandage bedeckt, jedes ihrer geschwollenen Nasenlöcher war mit Verbandsmull zugestopft. Sie musste den Kicherbann durch Schläge unterworfen haben. Jetzt starrte sie mich finster an.
Mein Herz hämmerte. Ich spürte meinen Puls in meinem ganzen Körper pochen. Mama hatte mich nicht entführt. Gott sei Dank. Ich wusste nicht, was ich getan hätte, wenn … »Wo ist Mama«
Selbst Frieda sah mich jetzt verärgert an. »Sie hat auf der Kapitänsbrücke ein Transportportal errichtet. Zu unserem Glück hat sie beschlossen, dich mit den Füßen zuerst runterzusaugen. Tut mir leid um deine Schuhe. Ant Eater hat sie mit einem Haarwuchs-Fluch beworfen.«
»Ich hatte ihn eigentlich für dich aufgehoben«, grummelte sie. »Freu dich, dass das Miststück ihn noch mehr verdient hat. In Fresco wird mit Sicherheit demnächst ein Bigfoot gesichtet.«
»Nenn meine Mama gefälligst nicht Miststück«, wies ich sie zurecht und bemühte mich, mich aufzurichten. Schmerz schoss durch meinen Kopf, und mir wurde für einen Moment übel. Ich hatte meine Oxfords verloren. Meine Socken ebenfalls. »Trotzdem, danke, dass ihr sie gestoppt habt.« Ich wusste nicht, was ich getan hätte, wenn sie mich von Großmutter ferngehalten hätte.
Ant Eater schnaubte, dann zuckte sie die Schultern. »Bedank dich nicht bei mir, Zuckerpuppe. Er ist derjenige, der uns hierher gebracht hat.«
Genau in dem Moment, in dem ich dachte, dass mein Kopf unmöglich noch schlimmer wehtun könnte, trat Dimitri in mein Blickfeld, seine Reisetasche über der Schulter. Natürlich hatte er sich nicht die Zeit genommen, sich ein T-Shirt überzuziehen. Dieser Schuft! Sein harter flacher Bauch verschwand in seiner schmutzigen Jeans, die ihm tief auf den Hüften hing. Verletzte Gefühle, Enttäuschung und weiß der Himmel was noch brauten sich in meinem Magen zu einem schweren schwarzen Klumpen zusammen. Er sah zerknirscht aus, traurig, ernst – so, wie ich es erwartet hatte. Und es kotzte mich an.
»Wir wollten eine schnelle Zeremonie abhalten, um deine Aura aufzufrischen«, sagte Frieda, ging in die Hocke und half mir, mich hinzusetzen. »Leider haben wir auf dem Weg hierher kein Opossum entdeckt.«
Ich umklammerte meinen Nasenrücken. Es war ein sehr trauriger Tag, als dieser ganze Schlamassel anfing, irgendeinen Sinn zu ergeben. »Mach dir deshalb keine Sorgen, Frieda«, sagte ich. Ich hatte mir für heute Nacht jede erdenkliche Hilfe gewünscht, die sie mir bieten konnten, ja, ich hatte sie sogar dringend erwünscht. Doch am Ende lief es auf eine einzige Sache hinaus: Ich musste mir selbst zutrauen, dass ich es schaffte. Ich musste mich gehen
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