Ein Daemon kommt selten allein
schoss mir bis ins Mark. »Was ist das« Ich versuchte, Dimitri zu packen. Er wich ein Stück zurück, völlig gefühllos.
»Was tust du mir an«, schrie ich. Die Ketten wickelten sich um meine Taille und um den vom Alter gezeichneten Walnussbaum. »Schluss damit!« Ich kämpfte mit allem, was ich hatte, gegen die Ketten an, doch sie waren erbarmungslos, wanden sich um meinen Körper und schlossen mich ein wie eine Fliege in einem Spinnennetz.
Dieser Lügner! Dimitri hatte mich auf die schlimmstmögliche Weise betrogen. Mein Herz hämmerte in meiner Brust. »Was hast du vor«, verlangte ich mit gebrochener Stimme von ihm zu wissen.
Dimitri ließ seinen Blick in aller Seelenruhe über mich wandern, und ich bekam einen Wutanfall. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, doch darin lag kein Verständnis, keine Wärme. Als er wie das Raubtier, das er war, auf mich zukam, kämpfte ich gegen die Ketten an und malte mir aus, wie es wäre, ihm das Lächeln aus dem Gesicht zu schlagen. Er beugte sich zu mir vor, sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Er strahlte Hitze aus und rohe Kraft. »Ich tue, was getan werden muss.«
In seinen Augen brannte etwas, das nicht wirklich Begierde war, obwohl auch davon eine Menge vorhanden war. Er wiegte meinen Kopf in seinen Händen. Und – verflucht sei mein aufrührerischer Körper – plötzlich schoss glühend heiße Vorfreude durch mich wie ein Buschfeuer.
»Zieh es nicht einmal in Erwägung!«, warnte ich ihn, wobei meine Stimme nicht so fest war, wie ich es mir gewünscht hätte.
»Ich beschütze dich«, hauchte er; sein Atem streifte meine Lippen.
Soweit ich es beurteilen konnte, war sein Drang, mich beschützen zu wollen, momentan eines meiner Hauptprobleme. »Ach ja« Ich reckte mein Kinn vor und ignorierte die Hitze, die spiralförmig in mir aufstieg. »Und wer beschützt mich vor dir«
Er zog sich zurück, was genau das war, was ich wollte. Dennoch hatte ich das Gefühl, als wäre mir etwas entgangen, was mich noch wütender machte. Ich hasste solche Spielchen.
Dimitri streifte meine Stirn mit seinen Lippen, kraftvoll und voller Selbstvertrauen. Ich spürte seine Berührung bis in die Zehenspitzen. Arroganter Mistkerl. Es schien ihm Freude zu bereiten, mich zu verhöhnen. Und ich hasste mich dafür, dass ich darauf hereingefallen war. Er hätte von Glück reden können, wenn er Vald die Stirn bieten durfte, anstatt auch nur eine Minute das ertragen zu müssen, was ich mit ihm anstellen würde, mit diesem selbstherrlichen, nichtsnutzigen, doppelzüngigen Rohling. Ich hätte ihm nie über den Weg trauen sollen. Niemals. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich seinen Tränensmaragd nehmen und ihn ihm in die Nase rammen.
Ich kämpfte gegen die Fesseln an meinen Füßen an. So weit hatte mich mein Vertrauen also gebracht. Mein ganzes Leben lang hatte ich Leuten vertraut, die meine Gutgläubigkeit mit Halbwahrheiten und feisten Lügen erwidert hatten. Jetzt hatte mich einer von denjenigen, denen ich vertraut hatte, an einen Baum gefesselt. Er sollte sich wünschen, dass er Pirate, Großmutter und den Hoffnungsdiamanten da drinnen finden würde. Dann würde ich in hundert Jahren vielleicht mal in Erwägung ziehen, wieder mit ihm zu reden.
Ich rüttelte an den Ketten. Der Tränensmaragd schlug gegen mein Handgelenk. Niemals. Nie wieder.
Dimitri bedachte mich mit einem langen, finsteren Blick, bevor er auf das Haus zusteuerte – allein.
Er blieb zu lange in dem Haus, viel zu lange. Mit jeder verstreichenden Sekunde wurde es unwahrscheinlicher, dass ich ihn je wiedersehen würde. Verdammt! Ich kämpfte gegen die Ketten an, bis ich mich fühlte, als hätte ich gerade einen Marathonlauf hinter mich gebracht. Die Ketten gaben nicht nach. Schweiß rann mir den Rücken herunter. Was war, wenn er Pirate nicht fandOder GroßmutterWas würde passieren, wenn er einem fuchsteufelswilden Vald in die Arme liefeEr hatte sein antikes Messer mit ins Haus genommen, doch auch wenn es rasiermesserscharf war, hatte es nicht gerade besonders robust ausgesehen. Was sollte hier draußen, angekettet an einen Walnussbaum, aus mir werden, wenn Dimitri nicht zurückkäme
Die Morgendämmerung brach an und tauchte die Welt in diverse Grautöne. Doch noch zwitscherte kein einziger Vogel. Kein Auto fuhr an der Kneipe vorbei. Es war, als wären wir im Purgatorium gelandet. Ein Abflussrohr an der Seite des Gebäudes klapperte, als es plötzlich zu wackeln
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