Ein delikater Liebesbrief
sie beinahe geseufzt, doch damit hätte sie sich verraten. Selbst durch die Schichten von Wolle und Korsett und Stoff spürte sie seine Hand.
Nun schien er die Stäbchen ihres Korsetts abzutasten. Henriettas Lider zuckten; fast hätte sie die Augen geöffnet und gespannt verfolgt, was er da tat. Es war köstlich, zu spüren, wie seine Finger über ihre Brüste glitten. Die bloße Vorstellung ließ ihr Herz heftig gegen die Rippen schlagen und löste eine Erschütterung aus, die sich nach unten zwischen ihre Beine fortsetzte. Es war, als berührte er eine Wasseroberfläche, unter der sie wartete und sich danach sehnte, dass er tiefer eintauchen möge. Sie spürte ein Kribbeln in ihren Brüsten, die förmlich um seine Berührung bettelten.
Mit einem leisen Keuchen öffnete sie die Augen. Sofort hielten Darbys streichelnde Finger inne und entspannten sich, als hätte er seine schlafende Frau lediglich gestützt und dabei rein zufällig eine Hand auf ihre Brust gelegt.
Eine Sekunde lang brannte sich sein Blick in ihre Augen. Dann meinte sie in ihm die Andeutung eines Lachens zu entdecken. Er hatte gewusst, dass sie nicht schlief, hatte es irgendwie erraten. Henrietta war noch nie gut darin gewesen, etwas geheim zu halten.
»Gefällt es dir, mein Liebling?«, flüsterte er und senkte den Kopf. In seinem Atem bewegten sich ihre Stirnlocken.
Sie sollte es leugnen … sie sollte dem Schlaf die Schuld geben … sie sollte sich wie eine Dame benehmen. Henrietta setzte sich aufrecht hin und überlegte, welches Verhalten nun von ihr erwartet wurde.
»Hast du es auch bequem?«, hörte sie ihn fragen, und seine heisere, fast schläfrige Stimme erweckte in ihr den Wunsch, sich wieder an seine Schulter zu lehnen. Er schien ihre Gedanken lesen zu können, denn er fragte: »Warum lehnst du dich nicht wieder an mich, Henrietta?«
Niemals, niemals lehnte sie sich an. »Halten Sie den Rücken gerade, dann wird man die Missbildung kaum bemerken«, hatte ihr einmal ein Arzt geraten und Henrietta hatte diesen Ratschlag nie vergessen.
Plötzlich richtete sie sich auf. »Die Kinder!«, stieß sie erschrocken hervor.
»Sie schlafen beide tief und fest«, versicherte Darby ihr und zog sie wieder zu sich. Henrietta verlor das Gleichgewicht und fiel auf seinen Schoß. Sein Atem liebkoste ihren Nacken.
»Was ist denn bloß mit meiner Frisur geschehen?« Als sie sich auf seinem Schoß drehte, um ihre Haarflut zu bändigen, hörte sie einen merkwürdigen, fast erstickten Laut von Darby.
»Ist dir nicht gut?«
Darby musste angestrengt nachdenken, wie er darauf antworten sollte. Jene grausamen Götter, die weibliche Korsetts erfunden hatten, hatten vergessen, Henriettas wohlgeformtes kleines Gesäß ebenso mit Fischbein zu verkleiden. Und dieser Hintern, köstlich rund, weich und füllig, presste sich nun genau in seinen Schritt. Henrietta hatte vermutlich keine Ahnung, was sich dort befand.
Doch irgendetwas hatte sie auf jeden Fall gemerkt, denn sie rutschte nun unruhig hin und her, um besseren Halt zu finden.
Darby fasste sie um die Taille und setzte sie neben sich auf die Bank. Seine Frau blickte suchend umher und fragte sich offenkundig, wohin ihr Haarnetz verschwunden war. Dann riss sie die Augen auf, denn sie hatte entdeckt, dass noch etwas anderes fehlte. »Wo ist Anabel?«
»Hier«, erwiderte Darby und hob stolz den Deckel vom Proviantkorb – seiner Meinung nach ein vortrefflicher Kindertragekorb.
»Du hast Anabel in den Proviantkorb gelegt? Und dann auch noch den Deckel obendrauf?!«
»Sie kann nicht ersticken«, wandte Darby ein. »Der Korb ist aus Weide geflochten und sie bekommt genug Luft.«
Henrietta starrte ihn mit offenem Mund an. Darby war sicher, dass gewiss eine Scheibe Roastbeef in seine Richtung geflogen wäre, wenn eine in Reichweite gelegen hätte. Also handelte er zuerst.
Es war beileibe nicht der Kuss eines Gentlemans, sondern vielmehr ein Vorbote dessen, was sie in der Nacht erwarten würde. Wenn sie nicht wusste, warum sein Schoß sich in einen so hügeligen Sitz verwandelt hatte … er schon. Aus irgendeinem rätselhaften Grund brachte ihn seine düster gekleidete Ehefrau dazu, eine geradezu schmerzhafte Begierde zu empfinden, die er selbst damals nicht gespürt hatte, als er von dem Hausmädchen betört war. Was Darby fühlte, war ein tiefes ausgehungertes Verlangen, so primitiv wie Zorn oder Schmerz.
Seine Zunge drang in ihren Mund ein wie die Kosaken in kleine Dörfer: zuerst die Invasion, Fragen
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