Ein delikater Liebesbrief
Blütenblätter von den Rosen zu pflücken – die verwelkten natürlich, Sie verstehen.«
»Wie nützlich«, murmelte Darby.
»Aber Sie , Sir, was ist mit Ihnen ? Ich weiß ja, dass Sie ein Londoner Gentleman sind, und Sie tun gewiss das, was« – sie kicherte wie verrückt – »Gentlemen in London eben so tun.«
Konnte es sein, dass sie auf etwas Laszives anspielte? Doch sicherlich nicht.
» Boxen Sie?«, fragte Miss Aiken atemlos.
»Nein, durchaus nicht«, erwiderte Darby. »Ich fürchte, die edle Kunst, seine Mitmenschen zu verprügeln, hat mir nie sonderlich zugesagt.«
»Oh.« Sie war sichtlich enttäuscht, fing sich jedoch schnell wieder. »Ich habe gelesen, dass manche Londoner Herren gegen Gentleman Jackson höchstpersönlich geboxt haben … aber vermutlich verbringen Sie Ihre Zeit in ähnlich unterhaltsamer Weise.«
»Eigentlich nicht«, versetzte er ihrer Begeisterung einen Dämpfer.
Unvermittelt erhoben sich Lady Henriettas Gesprächspartnerinnen und verließen den Tisch. Sofort wandte sich Miss Aiken Henrietta zu und schloss sie in das Gespräch mit ein. Sie schien untadelige Manieren zu haben, da sie zum Beispiel kein Gran der besitzergreifenden Eifersucht an den Tag legte, welche die meisten jungen Damen in der Gegenwart einer so schönen Frau wie Henrietta Maclellan verspüren würden.
»Sie müssen ja wegen Ihres Debüts schon ganz aufgeregt sein, Lucy«, sagte Henrietta. Es war erfreulich, zu sehen, dass er nicht der Einzige war, den Henriettas Lächeln froh machte. Auch Miss Aiken lebte sichtlich auf und wirkte nun wie ein junges Mädchen auf seiner Geburtstagsfeier.
»Können Sie sich das vorstellen, Lady Henrietta, mein Kleid für den Empfang ist über und über mit Perlen bestickt! Und ich werde drei weiße Federn tragen. Stellen Sie sich nur vor: drei.«
Darby trank übellaunig einen Schluck Madeira.
»Wir werden ab dem ersten Februar in der Stadt sein. Werden Sie zur Saisoneröffnung auch in London weilen, Sir?«, wandte sich Miss Aiken an ihn.
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.« Er schlürfte Madeira.
Lucy Aiken musterte ihn eindringlich. Sie hatte schwarze Knopfaugen und ihr Haar war definitiv rötlich. Sie ähnelt einem Fuchs , dachte Darby.
»Finden Sie es denn nicht aufregend, dass bald die Saison beginnt, Sir?«
»Um die Wahrheit zu sagen: nein.«
»Aber du meine Güte, warum denn nicht? Für mich klingt es wie die schönste Sache der Welt!« Und sie klatschte vor lauter Vorfreude in die Hände. »Bei Almack’s tanzen, im Park reiten, der Salon Seiner Königlichen Hoheit!«
»Es missfällt mir, zu den Klängen eines zweitklassigen Orchesters Frauen durch einen Saal zu schieben. Und die einzigen Männer, die im Park ausreiten, sind Hutmacher«, bemerkte er von oben herab.
»Die Saison ist für Mr Darby keine neue Erfahrung wie für Sie, meine liebe Lucy«, erklärte Henrietta und füllte damit dankenswerterweise das verlegene Schweigen, das auf Darbys Worte gefolgt war.
Miss Aiken war sichtlich dabei, ihre ursprüngliche Erwerbsentscheidung zu überdenken. »Ach, du lieber Himmel!«, trällerte sie. »Ich muss meine liebe Tante finden. Sie wird sich schon fragen, wo ich abgeblieben bin!«
Damit trippelte sie davon, nicht ohne Darby noch einen Blick über die Schulter zuzuwerfen, der klar zum Ausdruck brachte, dass sie nichts dagegen einzuwenden hätte, ihn zu behalten, wenn er ihr wie ein kleines Pony an der Leine hinterhertrotten würde. Mehr noch, in der kommenden Saison würde sie sein rüpelhaftes Verhalten und seinen Mangel an Enthusiasmus gnädigst übersehen.
Darby blieb sitzen.
» Das war aber töricht«, bemerkte Henrietta Maclellan mit klarer Stimme.
»Was denn?«
»Lucy Aiken so gleichgültig zu behandeln«, erwiderte sie ebenso prompt wie ehrlich. »Lucy ist eine äußerst sanftmütige Frau und würde Ihren Schwestern eine gute Mutter sein. Sie liebt London leidenschaftlich und wäre leicht zufriedenzustellen, wenn sie nur dort leben könnte und ein paarmal in der Woche im Hyde Park ausreiten dürfte. Eine bessere Frau dürften Sie wohl kaum finden.«
Darby blinzelte verwirrt. Wusste Lady Henrietta denn nicht, dass junge Damen in Gesellschaft nicht die Heiratsaussichten anderer Damen zu erörtern pflegten? Mit anderen Worten: niemals in der Gegenwart eines Mannes?
Doch bevor er zu Ende gedacht hatte, entschlüpften ihm die Worte: »Ich glaube, ich habe mich noch nicht daran gewöhnt, Frauen als heiratsfähige Ware
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