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Ein delikater Liebesbrief

Ein delikater Liebesbrief

Titel: Ein delikater Liebesbrief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloisa James
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über seine Hecken gesprochen und …«
    »Ist das Lord Durgiss?« Darby nickte zu einem stämmigen Aristokraten hinüber, der eine übertrieben gemusterte Weste trug. »Der mit der veilchenfarbenen Weste?«
    »Nein, das ist Lord Durgiss’ Sohn, Frederick. Scheußlich, seine Weste, nicht? Wissen Sie, er hält sich für den nächsten Lord Byron. Seit einem Monat schreibt er meiner Schwester Imogen furchtbar schlechte Gedichte.«
    »Und warum schreibt er sie nicht Ihnen ? Sie sind doch viel symmetrischer als Lucy Aiken, mag sie auch noch so viele Tausender schwer sein.« Er beugte sich vor und schaute ihr einen Moment tief in die Augen, bevor sie den Blick senkte. »Sie sind eine schöne Frau. Ihr Haar ist alles andere als gewöhnlich und dennoch leben Sie hier, in einem öden Provinznest.«
    Er nahm Henriettas Hand, die in seiner geradezu winzig wirkte. Vage registrierte er, dass sein Herz wild pochte – eine geradezu lächerliche Reaktion in Anbetracht der Tatsache, dass dies nicht das erste schöne Frauengesicht war, das er in seinem Leben erblickte.
    Sie schluckte. Herrgott, ihr Hals war wunderschön!
    »Weil ich nicht symmetrisch bin!«, stieß sie hervor, trank einen Schluck Champagner und betrachtete angelegentlich die Bläschen im Glase.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich kann keine Kinder bekommen.« Endlich hob sie den Kopf und begegnete seinem Blick. Ihre Augen waren dunkelblau und hatten den perfekten Abstand zur Nase. Lady Henrietta ähnelte einem fesselnden mathematischen Theorem: äußerlich täuschend einfach, doch innen auf faszinierende Weise kompliziert.
    Er hatte ihr nicht zugehört. »Sie können … was nicht?«
    »Kinder bekommen«, wiederholte Henrietta geduldig, als wäre diese Art Unterhaltung das Selbstverständlichste für zwei Menschen, die einander eben erst kennengelernt hatten.
    Was zum Teufel sollte er darauf erwidern? Nie zuvor hatte Darby erlebt, dass eine Dame in Gesellschaft so offen über ihren Unterleib sprach.
    Henriettas Augen ruhten immer noch auf seinem Gesicht, und ihm schien, als sähe er wieder diesen Hauch von Belustigung. Sie entzog ihm ihre Hand. »Ich muss mich entschuldigen, wenn ich Sie durch meine Offenheit erschreckt habe, Mr Darby. Ich fürchte, alle Welt weiß, dass Sie eine reiche Erbin heiraten müssen, um Ihre entzückenden kleinen Schwestern zu ernähren. Zufällig bin ich eine reiche Erbin, jedoch durch gewisse Umstände daran gehindert, mich auf dem Markt zu präsentieren.«
    Er wusste buchstäblich nicht, wovon sie sprach.
    Sie leerte ihr Glas und stellte es mit leisem Klirren auf den Tisch. Aus ihrem Lächeln sprach Mitleid. »Ich möchte nicht, dass Sie sich umsonst abrackern aufgrund des Missverständnisses, dass ich mich ins Getümmel stürzen würde, um Sie für mich selbst zu haben.«
    Erst als sie schon lange gegangen war, konnte Darby über ihre offenherzige Schlagfertigkeit lachen.

10
    Henrietta im trauten Heim
    Es war höchst ungewöhnlich, dass Henrietta nicht sofort zur Ruhe fand, nachdem sie sich in ihr Schlafgemach zurückgezogen hatte. Gewöhnlich flocht sie sich ihren Zopf, sprach ihr Nachtgebet und schlief friedlich ein. Oh, natürlich gab es hin und wieder Nächte, in denen ihre Hüfte schmerzte, und Nächte, in denen die Vorstellung eines kinderlosen, ehemannlosen Lebens unerträglich schien. Nächte, in denen sie sich in den Schlaf weinte.
    Doch sie besaß viele Freunde, sie fühlte sich geschätzt und liebte ihr Leben – meistens. Im Laufe der Jahre hatte Henrietta ihrer Stiefmutter mehr und mehr Aufgaben abgenommen, ein Arrangement zur beiderseitigen Zufriedenheit. Sie besuchte fleißig die Kranken und sorgte dafür, dass neue Familien im Dorf angemessen aufgenommen wurden. Sie beriet sich mit dem Vikar und organisierte die vielen Feste, die im Jahreslauf auf dem Lande gefeiert wurden.
    Außer in Momenten, wenn irgendeine törichte Person in Harnisch geriet, weil Henrietta wieder einmal offener gesprochen hatte, als ihren Mitmenschen genehm war, war sie einigermaßen glücklich. Dass sie nie eine Londoner Saison mitgemacht hatte, störte sie kaum. Welchen Sinn hätte das auch haben sollen?
    Doch am heutigen Abend kam sie einfach nicht zur Ruhe. Sie ging in ihrem Zimmer umher, nahm diesen oder jenen Gedichtband zur Hand und legte ihn wieder weg.
    Henrietta hatte im Ladies Journal Abbildungen griechischer Statuen gesehen. Darbys Gesicht erinnerte an einen griechischen Gott, jedoch nur im Profil, frontal sah er viel zu intelligent aus.

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