Ein delikater Liebesbrief
»Ich habe ihn nie danach gefragt.«
»Seine Frau ist hier.« Selina nickte zu der Gräfin hinüber, die am Klavier saß. »Ich bestehe darauf, dass Sie mir die Wahrheit über seine häusliche Situation verraten. Aber ziehen wir uns lieber ein wenig zurück, damit wir die Gräfin nicht aufregen, falls sie uns hören sollte.« Damit nahm sie seinen Arm und zog ihn von den erstaunt glotzenden Matronen fort.
Verdammt sei diese Davenport! Von einem lasziven Weib herumgeführt zu werden, das nur zu deutlich zu erkennen gab, dass es einer Affäre nicht abgeneigt war, war das Letzte, was Darby wollte – war er doch beinahe schon entschlossen, nach einer Ehefrau Ausschau zu halten.
Ohne sich Mrs Davenport gegenüber zu rechtfertigen, führte er sie zu dem Tisch, an dem Lady Henrietta saß. »Welch eine Freude, Sie wiederzusehen«, sagte er mit einer Verbeugung.
»In der Tat«, erwiderte Henrietta. »Wie geht es Ihren Stiefschwestern?«
»Sie befinden sich in der sicheren Obhut von Lady Rawlings’ Kinderfrau, die mir eine äußerst fähige Person zu sein scheint und gewiss nicht zulassen wird, dass Anabel in feuchten Kleidern umherläuft. Ich vermute, dass das Ihre Zustimmung finden wird, Lady Henrietta.«
Er hatte sich nicht geirrt: Ihr Lächeln war wirklich einzigartig.
»Wir spazieren ein wenig herum«, schaltete sich Selina mit spitzbübischem Lächeln ein. »Mr Darby hat mir den neuesten Londoner Klatsch versprochen.«
»Vielleicht sollten Sie ihm den Wintergarten zeigen«, schlug Lady Henrietta vor. »Ich könnte mir vorstellen, dass Mr Darby darauf brennt, zu dieser Jahreszeit außergewöhnlich schöne Rosen zu sehen.«
Er musterte sie mit zornigem Blick. Sie wollte ihn der Meute zum Fraß vorwerfen, dieser giftige Drachen. Dabei schaute sie ihn mit klaren unschuldigen Augen und einem leisen Lächeln an … und doch. Und doch. Sie hatte wirklich interessante Augen. Sie waren ein wenig schräg geschnitten und hatten die längsten Wimpern, die er je gesehen hatte. Und das waren nicht wenige.
Darby wandte sich wieder Selina zu und warf einen verstohlenen Blick auf ihren wahrhaft üppigen Busen. Die Frau trug ein eng geschnittenes, mädchenhaftes Kleid, doch es stand ihr. Der Stoff spannte über ihren Brüsten, als könnte er sie nicht mehr lange zusammenhalten. Darby spürte eine Regung im Bereich seiner Lenden. Selina Davenport war schön, lüstern und verfügbar. Lady Henriettas Kleid dagegen hatte einen morastigen Grünton, der ihr Haar stumpf aussehen ließ, und der Ausschnitt war überaus züchtig.
Er beugte sich über ihre Hand. »Ihr Diener«, murmelte er.
Der Ausdruck in ihren Augen wirkte auf ihn wie eine eiskalte Dusche. Sie machte sich über ihn lustig. Sie hatte genau gewusst, wie er auf Selina Davenports Busen reagieren würde. Sie hatte seine Reaktion beobachtet und eingeschätzt und vermerkte zufrieden, dass das Hündchen brav durch den Reifen gesprungen war.
Darby biss unwillkürlich die Zähne zusammen.
»Ich glaube, ich bin mit außergewöhnlicher Schönheit besser vertraut, als Sie denken, Lady Henrietta«, sagte er mit einem wölfischen Grinsen. »Ich könnte mir nichts Besseres wünschen als einen Gang durch den Wintergarten mit Mrs Davenport.« Damit schritt er von dannen.
Henrietta war tief enttäuscht. Aus irgendeinem Grund hatte sie gehofft, Darby würde ein wenig weltmännischer auf Selinas offenkundige Manipulationen reagieren. Doch in dem Augenblick, als Selina Davenport auf ihn zugeschlendert war, hatte sich Darby ihr zugewandt wie eine Blume der Biene – einer üppigen Biene, die hauptsächlich aus einem Paar Brüste bestand, mit einer violetten Schleife darum. Wie es schien, verwandelten sich sogar erfahrene Londoner Gentlemen beim Anblick aufgeblasener Hügel über einem weiblichen Brustkorb in Pudding.
Erst zwanzig Minuten später sah sie Darby wieder im Salon, doch er schaute nicht einmal in ihre Richtung. Er war mit einem grauhaarigen Gentleman in ein ernstes Gespräch vertieft, soweit Henrietta erkennen konnte – obwohl sie natürlich nicht ständig hinsah!
Unvermittelt drehte Darby den Kopf und sah ihr in die Augen. Eine Hitzewelle durchfuhr Henrietta. Zuerst schob sie es auf die Verlegenheit, weil er sie dabei ertappt hatte, wie sie ihn beobachtete. Doch das Gefühl, dass ihr zu heiß wäre, wollte einfach nicht vergehen. Darby sah sie unverwandt an und in seinen Augen stand ein Ausdruck, der sie ein wenig benommen machte. Wenn sie nicht glücklicherweise gesessen
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