Ein delikater Liebesbrief
Lage bin, ihm … in dieser Hinsicht zu genügen?«
»Er wirkte sehr traurig, mein Liebes. Ich glaube, er mag dich wirklich. Es ist eine Schande.«
»Aber was hat er gesagt ?«
»Er sagte, er habe eine dringende Verabredung vergessen, und bat mich, ihn bei dir zu entschuldigen, weil er dich nicht heimbegleiten könne.«
»So leicht ist ihm das gefallen?«, sagte Henrietta fassungslos. »So leicht hat er aufgegeben?«
In den Augen ihrer Stiefmutter war kein Trost zu finden. »Es tut mir wirklich leid, falls ich dir die Hoffnung vermittelt habe, ein Mann würde … dein Leiden einfach übersehen können.«
»Es war furchtbar töricht von mir, nicht zu erkennen, dass diese Dinge untrennbar miteinander verbunden sind. Ich hatte geglaubt, endlich einen Mann gefunden zu haben, der sich keine Kinder wünscht«, flüsterte Henrietta. Ihre trostlose Stimme drückte Millicent schwer aufs Herz. »Oh Liebes, nicht weinen, nicht weinen«, sagte sie hilflos, setzte sich neben Henrietta auf das Kanapee und nahm sie in die Arme.
»Ich weine doch gar nicht.« Und das stimmte, obwohl ihr Gesicht weiß und angespannt war.
»Darby ist ein Narr, wenn er dich aus solch einem Grunde gehen lässt«, sagte Millicent. »Du hast vollkommen recht: Männer sind Dummköpfe.«
»Darby ist kein Dummkopf«, sagte Henrietta düster. »Eher ein Lustmolch, wie es scheint. Denn das ist es doch, was Lüsternheit bedeutet, nicht wahr?« Sie drehte sich zu Millicent, um ihr in die Augen zu schauen, und fand darin die Bestätigung. »Ein Mann gibt sich nicht damit zufrieden, seine Geliebte zu verführen, er muss auch noch seine Ehefrau haben.« Wieder schwiegen beide und lauschten dem Wind, der an Stärke zunahm.
»Oh, all dies wäre so viel leichter zu ertragen, wenn ich schon vor Jahren Bescheid gewusst hätte!« Der Ausruf kam aus tiefstem Herzen.
Millicent suchte nach einem Taschentuch, musste es dann jedoch selbst benutzen.
»Mir ist klar, dass Darby dir wie eine glänzende Partie vorkommen muss«, sinnierte die Herzoginwitwe einige Sekunden später. »Immerhin scheint er eigene Kinder gänzlich abzulehnen und seine Schwestern haben keine Mutter mehr.«
»Es ist gar nicht so schlimm«, sagte Henrietta, ohne Millicent anzuschauen. »Ich komme sehr gut ohne einen Ehemann zurecht. Außerdem kenne ich Darby ja kaum. Und Miss Pettigrew hat mich zudem darauf hingewiesen, wie sehr ein Ehemann das Leben einer Frau beeinträchtigen kann.«
»Und soviel wir wissen, ist Mr Darby ein Verbrecher. Möchtest du nicht mit Mr Fetcham darüber reden?«
Henrietta blinzelte erstaunt. »Mit Mr Fetcham ? Aus welchem Grund sollte ich mit dem Vikar über die Ehe sprechen? Ich meine … solange meine eigene Hochzeit nicht kurz bevorsteht?«
»Vielleicht könnte er dir helfen, dich mit deinem Schicksal auszusöhnen.«
»Und wenn er mir noch so viel über Gottes Willen erzählt, kann mich das nicht mit der Zukunft versöhnen, die ich vor mir sehe.« Ihre Stimme klang hart. »Ich war so dumm anzunehmen, dass ich irgendwann schließlich doch heiraten würde.«
»Das habe ich nicht gewusst«, flüsterte ihre Stiefmutter.
»Ich hatte gehofft, einen Witwer zu finden oder jemanden, der keine Kinder will, oder einen, der schon welche hat. Ich hatte gehofft, ein solcher Mann würde sich in mich verlieben … und eine Liebesehe eingehen.« Sie musste fast lachen. Wie naiv das doch klang, wenn man es laut aussprach!
»Es spricht nichts dagegen, dass eines Tages ein wahrhaft edler Mann kommt, der nicht in solchem Maße ein Sklave seiner niederen Instinkte ist.«
»Wer weiß …«, sagte Henrietta trocken.
»Ich bin im Grunde froh, dass Darby so rasch seinen Antrag gemacht hat. So hattest du zum Glück kaum Zeit, dich Illusionen hinzugeben.«
»Ja, natürlich.« Schon erstaunlich, wie schnell sie sich der Fantasie hingegeben hatte, Darbys Frau zu werden. Dabei kannte sie ihn kaum, abgesehen von seiner Vorliebe für Spitzenmanschetten. Was wäre geschehen, wenn ihr dieser Mann schon bald zuwider geworden wäre, der vermutlich sein ganzes Haus mit seidenem Besatz und goldener Spitze ausgestattet hatte? Außerdem war Darby ein Mitgiftjäger und das konnte kaum eine gute Grundlage für die Ehe sein.
»Es ist besser, dass es so schnell vorüber ist. Du hättest seine wahre Natur ohnehin allzu bald erkannt.«
»Ja.«
»Sieh mal«, fuhr Millicent in dem verzweifelten Bemühen fort, ihre Stieftochter zu überzeugen, weil sie den Ausdruck in Henriettas Gesicht nicht
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