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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Ruhestellung.
    Es mochten zwei, drei Minuten vergangen sein, da bemerkte Gude, ohne zuvor Schritte wahrgenommen zu haben, wie zu seiner Linken das Leder der Sitzbank nachgab. Er öffnete die Augen und blickte zur Seite. Eine Frau hatte sich neben ihn gesetzt. Nun, das wäre an sich nicht weiter erstaunlich gewesen. Es gab eben auch noch andere Leute, die sich von Dürer und dieser ganzen Zehentreterei entfernen wollten. Erstaunlich war nur, wie nahe sich diese Frau plaziert hatte, zu nahe, wenn man die Länge der Bank berücksichtigte und in Ermangelung weiterer Besucher sich eine Platznot nicht ergab.
    Gude überlegte, daß seine Sitznachbarin in einem derartigen Maße an den Arbeitslosen und den Fleischern von Les Halles interessiert war, daß sie nicht hatte warten wollen, bis sie diese Bank für sich alleine haben würde.
    Genau das war es nun, was Gude ihr zu ermöglichen gedachte. Ihr die Bank überlassen. Er wollte sich erheben. Doch etwas hielt ihn ab. Nicht das feingeschnittene Gesicht der Frau, nicht ihr blondes, glattes, hörgerätartig hinter die Ohren geschobenes, an der Stirn gefranstes Haar, nicht der Cord-Anzug, der ihren hageren Körper umspannte. Er konnte diesen ausgehungerten Sekretärinnentypus nicht leiden, er mochte keine Fältchen unter den Augen, schon gar nicht mochte er spitze Nasen und dünne Lippen und lange Hälse. Was er nun am allerwenigsten ausstehen konnte, waren Frauen, die mit Waffen umgehen konnten.
    »Was wollen Sie von mir?« fragte Gude und blickte auf den Schalldämpfer, der auf seine Brust gerichtet war. So nahe, daß er hätte versuchen können, der Frau die Waffe aus der Hand zu schlagen oder auch nur den Lauf von sich wegzuschieben. Allerdings war ihm klar, daß diese Person sich keine Blöße geben würde. Und daß seine Chance allein darin bestand, Zeit zu gewinnen und etwa auf die Museumswärterin zu hoffen, die ja irgendwann um die Ecke kommen mußte. Weshalb Gude nun so tat, als fände er rein gar nichts dabei, bedroht zu werden. Als halte er das alles für einen Scherz und für undenkbar, daß sich im Magazin dieser Pistole etwas anderes als Leitungswasser befand.
    »Ich erfülle einen Auftrag«, erklärte die Frau. »Aber das können Sie sich ja denken.«
    »Etwas Politisches?« fragte er.
    »Würden Sie das denn für möglich halten?«
    »Eigentlich nicht«, gestand Gude. »Das wäre schon sehr komisch, einen politischen Mord ausgerechnet an mir zu begehen. Eine private Sache also. Magda, nehme ich an.«
    »Fünfzigtausend Dollar«, sprach die Cord-Anzug-Trägerin zwischen ihren dünnen Lippen hindurch. Und fügte an: »Es gibt eben Leute, deren Wert sich mit ihrem Tod beträchtlich steigert.«
    Gleichzeitig mit dem letzten Wort drückte sie ab.
    Gude wollte noch etwas sagen. Sein Mund ging in die Höhe und blieb praktisch in der Luft stehen, wie ein Hochspringer, der für einige Sekunden über einer Latte schwebt. Sodann fiel sein Mund herunter und mit ihm der ganze Botschafter. Er kippte nach hinten. Ein Satz torkelte durch sein verlöschendes Hirn: Ein Mann stirbt im Museum.
    Zum Schluß blieb nur noch dieser Satz. Aber keiner, der ihn dachte.

7 Frauen, die helfen
    »Sehr freundlich von Ihnen«, sagte Anna Gemini zu der eleganten, großgewachsenen Frau, welche so nett gewesen war, sich inmitten des Gedränges von Museumsbesuchern kurz um Carl zu kümmern.
    Anna hatte erklärt gehabt, die Toilette aufsuchen zu wollen, wohin sie ihren Sohn weder mitnehmen könne noch wolle. Ein Vierzehnjähriger, behindert oder nicht, habe schlichtweg nichts auf einem Damenklo verloren. Andererseits verbiete es sich, das Kind einfach alleine zu lassen, auch wegen jener Kunstwerke, die man nun mal nicht berühren dürfe wie Obst am Früchtestand.
    Im Grunde hatte Anna niemand Bestimmten gebeten, ihr zu helfen, sondern – ohne etwa laut zu werden – in die Menge hineingesprochen. Und da war nun eben jene attraktive, auffällig damenhafte und auffällig langbeinige Person auf sie zugeschritten und hatte sich ohne viel Gerede bereit erklärt, auf den Jungen achtzugeben. Soweit das überhaupt nötig sei.
    Nachdem Anna nun wieder zurückgekehrt war, berichtete die Frau, daß sie und Carl großen Spaß miteinander gehabt hätten.
    »Max! Ax! Fax!« posaunte Carl, nahm eine Halbprofil-Pose ein und vollzog eine Grimasse, die in der erstaunlichsten Weise an Dürers Porträt Kaiser Maximilians I. erinnerte. Obgleich Carl eine ziemlich gerade, nicht sonderlich große Nase besaß, gelang es

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