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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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mir aber nicht. Also wollte ich dir zeigen, was Vertrauen bedeuten kann.«
    »Indem du mir einen bläst?«
    »Indem ich etwas tue, was ich gar nicht möchte. Indem ich genau das tue, was ich am allerwenigsten ausstehen kann.«
    »Ein Kompliment ist das nicht.«
    »Hör auf damit. Ich habe oft genug erklärt, daß es nicht an dir liegt. Umso mehr solltest du zu schätzen wissen, daß ich’s mir anders überlegt habe. Und zwar nicht in den Armen eines Schriftstellers oder Popstars liegend, sondern hier bei dir, dem Mann, dem ich vertraue. Vielleicht fällt es dir schwer, zu begreifen, was eine solche Schwanzlutscherei mit einem Fünfzigtausend-Dollar-Vertrauen zu tun hat, aber …«
    »Sag nichts«, meinte Einar, in einem Kniefall plötzlicher Rührung, »ich habe verstanden. Mach dir keine Sorgen. Du kriegst das Geld, gleich, was du damit vorhast. Und ich verlange auch sicher nicht, daß du mir jetzt jeden Tag …«
    »Davon war auch nie die Rede. Wo denkst du hin? Ich wollte dir bloß zeigen, worum es geht.«
    »Schade nur, …«
    »Gute Nacht, Herr Botschafter.«
    »Ja. Gute Nacht«, sagte der Botschafter, nicht wirklich zufrieden, aber auch nicht ganz unglücklich, immerhin eins mit seinem Unterleib, wenn schon nicht eins mit seinem Kopf.
    Einar Gude war eigentlich entschlossen gewesen, die Reise nach Wien zu vermeiden. Und hatte sich bereits die allerhöflichsten Ausreden parat gelegt. Keineswegs, weil er jenen Landsmann und diplomatischen Kollegen nicht leiden konnte, der die Einladung anläßlich einer Dürerausstellung ausgesprochen hatte. Das nicht. Auch war er nicht etwa an Dürer desinteressiert. Immerhin geschah es selten, daß derart viele von diesen unerträglich schönen und unerträglich wertvollen Bildwerken sich an einem Ort massierten. In der Art einer Automobilausstellung. Und die berühmte Albertina, die nach ihrer Renovierung den Charme eines nagelneuen Kosmetikstudios besaß, war natürlich der geeignetste Ort, um all die Dürers zu vereinen und einem Publikum vorzusetzen, das sich in der Penibilität der Striche verlieren und wiederfinden konnte. Ja, der Mensch, der ein Bildnis Dürers betrachtete und dabei nicht selten von einem feinen Detail zu einem noch feineren abrutschte, zerfiel gewissermaßen in alle Einzelteile seiner Betrachtung, um schlußendlich als ein neu geordneter, vielleicht als ein wertvollerer Mensch ins Leben hinauszutreten.
    Gegen Dürer war nun also wirklich nichts einzuwenden. Doch was Wien betraf, verspürte Botschafter Gude eine gewisse Aversion. Nicht etwa jenen deutlichen Greuel, den die Wiener selbst empfinden, jenen Eins-a-Greuel. Nein, was Gude fürchtete, war bloß ein ungutes Déjà-vu, wie man es kennt, wenn man unter einem Baugerüst hindurchmarschiert. Oder das Haar einer Frau öffnet. Oder im Begriff ist, eine Steckdose zu wechseln.
    Jedesmal wenn er in dieser Stadt ankam, packte Gude ein Schnupfen, keine richtige Verkühlung, bloß ein Tropfen der Nase, ein Niesen, eine leichte Verstopfung der Höhlen, ein Druck auf Augen und Kopf. Über die Ouvertüre der Erkrankung fand er aber nie hinaus. Ein Umstand, der ihm übler erschien, als richtig krank zu werden und sich in die Obhut eines Hotelbettes flüchten zu dürfen. Was nicht geschah. Gude verblieb in den Startlöchern einer Unpäßlichkeit, die allein aus diesen Startlöchern zu bestehen schien.
    Folglich empfand er nicht das geringste Bedürfnis, ohne einen handfesten Grund und dienstlichen Auftrag nach Wien zu reisen. Doch hatte er nicht mit Magda gerechnet. Seine Frau bestand mit einem Mal darauf, unbedingt diese in der Albertina vereinten Dürers sehen zu wollen, gar nicht so sehr jenen berühmten Hasen, der zusammen mit dem nicht minder berühmten Bugs Bunny bis heute das abendländische Bild vom großohrigen Nagetier prägt, auch nicht wegen der Gemälde, sondern auf Grund einiger Landschaftsaquarelle, ja, man müsse eigentlich von Landschaftseroberungen sprechen, die mit zum Schönsten gehörten, was sie, Magda, an Schönem zu kennen meine.
    Einar beeilte sich, Einwände vorzubringen. Einwände abseits purer Kunstbetrachtung. Einwände, die Magda aber nicht gelten ließ. Vielmehr gestand sie nun, jenem einladenden Botschafter in Wien bereits ihrer beider Kommen zugesagt zu haben.
    »Wie kannst du das tun?« Einar war völlig verblüfft. Er stotterte ein wenig. Es war ein Stottern wie aus einer geschlossenen Eierschale oder einem miniaturisierten Hallenbad. Ein Tönen, aber ein gedämpftes Tönen. Er

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