Ein diplomatischer Zwischenfall
mitgeben? Ich möchte nämlich Anordnungen treffen, um Major Rich persönlich zu sehen.«
»Er – befindet sich in Untersuchungshaft.«
»Natürlich. Das ist das übliche Verfahren. Wollen Sie ebenfalls ein paar Zeilen an Commander McLaren und an Ihre Freunde, die Spences, schreiben? Ich möchte mit allen sprechen, und es ist wichtig, dass sie mir nicht gleich die Tür weisen.«
Als sie sich vom Schreibtisch erhob, sagte er:
»Noch eins. Ich werde mir natürlich mein eigenes Urteil bilden, aber mittlerweile möchte ich von Ihnen hören, was für einen Eindruck Sie von Commander McLaren und Mr und Mrs Spence haben.«
»Jock McLaren ist einer unserer ältesten Freunde. Ich kenne ihn schon seit meiner Kindheit. Er macht einen ziemlich strengen Eindruck, aber im Grunde ist er eine gute Seele – immer derselbe, stets zuverlässig. Er ist nicht anregend und amüsant, aber eine ungeheure Stütze. Arnold und ich haben uns oft auf sein Urteil verlassen.«
»Und zweifellos ist auch er in Sie verliebt, nicht wahr?« Poirot zwinkerte ein wenig mit den Augen.
»O ja«, erwiderte Margharita heiter. »Er war immer in mich verliebt – aber allmählich ist es ihm gewissermaßen zur Gewohnheit geworden.«
»Und die Spences?«
»Sie sind sehr gute Gesellschafter. Linda Spence ist wirklich eine ziemlich gescheite Frau. Arnold hat sich gern mit ihr unterhalten. Außerdem ist sie sehr attraktiv.«
»Sind Sie miteinander befreundet?«
»Sie und ich? Gewissermaßen. Obwohl ich sie eigentlich nicht besonders mag. Sie ist mir zu maliziös.«
»Und ihr Gatte?«
»Oh, Jeremy ist bezaubernd. Sehr musikalisch. Versteht auch eine Menge von Gemälden. Er und ich gehen oft zusammen ins Kino…«
»Na ja, ich werde mich selbst überzeugen.« Er ergriff ihre Hand. »Hoffentlich bereuen Sie es nicht, Madame, meine Hilfe in Anspruch genommen zu haben.«
»Warum sollte ich es bereuen?« Ihre Augen weiteten sich vor Staunen.
»Man kann nie wissen«, erwiderte er geheimnisvoll.
»Und ich – ich weiß es auch nicht«, murmelte er vor sich hin, als er die Treppe hinabstieg. Die Cocktailparty war noch in vollem Gange, aber er mied die Gastgeberin und gelangte ohne Weiteres auf die Straße.
»Nein«, wiederholte er. »Ich weiß es nicht.«
Seine Gedanken waren ganz bei Margharita Clayton.
Diese kindliche Aufrichtigkeit, diese offenherzige Einfalt – waren sie echt? Oder verhüllten sie etwas anderes? Im Mittelalter hatte es solche Frauen gegeben – Frauen, über die sich die Historiker nicht einigen konnten. Er dachte an Maria Stuart, die schottische Königin. Hatte sie in jener Nacht in Kirk o’ Fields von der Tat gewusst, die geschehen sollte? Oder war sie völlig unschuldig? Hatten die Verschwörer ihr nichts gesagt? War sie eine dieser kindlich-schlichten Frauen, die sich selbst etwas vormachen und daran glauben können? Er spürte den Zauber, der von Margharita Clayton ausging. Aber von ihrer Unschuld war er nicht völlig überzeugt…
Solche Frauen konnten, auch wenn sie selbst unschuldig waren, die Ursache schwerer Verbrechen sein.
Solche Frauen konnten, wenn auch nicht in der Tat, so doch in Absicht und Plänen, selbst Verbrecherinnen sein.
Ihre Hand war es nie, die das Messer hielt…
Und Margharita Clayton – nein, er wusste es wahrhaftig nicht!
Hercule Poirot fand Major Richs Rechtsanwälte nicht sehr entgegenkommend. Er hatte das auch nicht anders erwartet.
Sie ließen durchblicken, dass es eher im Interesse ihres Klienten sei, wenn Mrs Clayton sich nicht für ihn einsetzte.
Poirot hatte die Rechtsanwälte auch nur um der »Korrektheit« willen aufgesucht. Er hatte genug Beziehungen zum Ministerium des Inneren und zu Scotland Yard, um die Erlaubnis für ein Gespräch mit dem Häftling zu erlangen.
Inspektor Miller, der den Fall Clayton bearbeitete, wurde von Poirot nicht sonderlich geschätzt. Aber bei dieser Gelegenheit verhielt sich der Inspektor nicht feindselig, sondern nur verächtlich.
»Kann an den alten Tattergreis nicht viel Zeit verschwenden«, hatte er zu dem Wachtmeister gesagt, ehe Poirot hereingeführt wurde. »Immerhin muss ich wohl höflich zu ihm sein.«
»Sie müssen wirklich ein Zauberkünstler sein, Monsieur Poirot, wenn Sie hier etwas erreichen wollen«, bemerkte der Inspektor. »Niemand außer Rich hätte den Burschen töten können.«
»Und der Diener.«
»Oh, das will ich wohl zugeben. Als Möglichkeit natürlich. Aber Sie werden in dieser Richtung nichts entdecken. Überhaupt
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