Ein diplomatischer Zwischenfall
sagen sollte: ihrem Beichtvater, ihrem Friseur und ihrem Privatdetektiv – wenn sie ihm vertraut. Vertrauen Sie mir, Madame?«
Margharita Clayton holte tief Atem.
»Ja«, sagte sie. »Das tue ich.« Und setzte hinzu: »Ich muss es ja.«
»Na schön. Was soll ich also für Sie tun? Herausfinden, wer Ihren Gatten ermordet hat?«
»Das auch – ja.«
»Aber es ist nicht das Wesentliche, wie? Sie wünschen in erster Linie, dass ich Major Rich von dem Mordverdacht befreie, ja?«
Sie nickte rasch, dankbar.
»Das – und sonst nichts?«
Eine unnötige Frage, das sah er ein. Margharita Clayton war eine Frau, die stets nur eine Sache zurzeit im Auge hatte.
»Und jetzt eine sehr indiskrete Frage, Madame. Sie und Major Rich sind ineinander verliebt, ja?«
»Wenn Sie damit sagen wollen, dass wir ein Verhältnis miteinander hatten – nein.«
»Aber er war in Sie verliebt?«
»Ja.«
»Und Sie – waren in ihn verliebt?«
»Ich glaube, ja.«
»Sie scheinen nicht ganz sicher zu sein, wie?«
»Doch – jetzt bin ich sicher.«
»Aha! Sie haben also Ihren Gatten nicht geliebt?«
»Nein.«
»Sie antworten mit bewundernswerter Direktheit. Die meisten Frauen hätten das Verlangen, ihre Gefühle bis ins Einzelne zu erklären. Wie lange waren Sie verheiratet?«
»Elf Jahre.«
»Können Sie mir ein wenig über Ihren Gatten erzählen? Was war er für ein Mensch?«
Sie runzelte die Stirn.
»Das ist schwierig. Ich weiß eigentlich gar nicht, was für ein Mensch Arnold war. Er war sehr ruhig, sehr reserviert. Man konnte seine Gedanken nicht erraten. Natürlich war er klug, jeder sagte, er sei brillant – in seiner Arbeit, meine ich. Aber er – ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll –, er hat sein ureigenes Wesen nie enthüllt.«
»War er in Sie verliebt?«
»O ja. Das muss er schon gewesen sein. Sonst hätte er sich nicht so aufgeregt – « Sie brach plötzlich ab.
»Über andere Männer? Das wollten Sie doch sagen, wie? Er war also eifersüchtig?«
Wieder sagte sie:
»Das muss er schon gewesen sein.« Und dann, als ob sie spürte, dass der Satz einer Erklärung bedurfte, fuhr sie fort:
»Manchmal sprach er tagelang kein Wort mit mir.«
Poirot nickte nachdenklich.
»Diese Gewalttätigkeit – die in Ihr Leben gekommen ist. Haben Sie die zum ersten Mal erlebt?«
»Gewalttätigkeit?« Sie runzelte die Stirn und errötete dann. »Meinen Sie etwa den armen jungen Mann, der sich erschossen hat?«
»Ja«, erwiderte Poirot. »So etwas habe ich wohl gemeint.«
»Ich hatte keine Ahnung, dass er so viel für mich empfand. Er tat mir sehr leid. Er schien so scheu, so einsam zu sein. Er muss sehr… überspannt, neurotisch gewesen sein. Und dann die beiden Italiener – ein Duell. Es war lächerlich. Jedenfalls ist keiner dabei umgekommen, Gott sei Dank… Und, offen gestanden, hatte mir an keinem der beiden etwas gelegen. Ich habe nicht einmal Zuneigung vorgetäuscht.«
»Nein. Sie waren eben nur – da! Und wo Sie sind – passiert etwas! Die Erfahrung habe ich schon früher in meinem Leben gemacht. Eben weil Sie gleichgültig sind, werden die Männer zum Wahnsinn getrieben. Aber für Major Rich haben Sie tatsächlich etwas übrig. Daher – müssen wir tun, was wir können.«
Er schwieg eine Zeit lang, während sie ernst vor ihm saß und ihn beobachtete.
»Wir wenden uns nun von den Persönlichkeiten ab, die oft das wirklich Wichtige sind, und den einfachen Tatsachen zu. Ich weiß nur, was in den Zeitungen stand. Auf Grund dieser Darstellungen hatten nur zwei Personen Gelegenheit, Ihren Gatten zu töten, konnten nur zwei Personen ihn getötet haben Major Rich oder sein Diener.«
Eigensinnig wiederholte sie:
»Ich weiß, dass Charles ihn nicht getötet hat.«
»Dann muss es also der Diener gewesen sein. Geben Sie das zu?«
»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte sie zweifelnd.
»Aber es will Ihnen nicht so recht einleuchten, ja?«
»Es erscheint einfach – fantastisch!«
»Und doch besteht die Möglichkeit. Ihr Gatte erschien zweifellos in der Wohnung, da seine Leiche dort gefunden wurde. Wenn die Aussage des Dieners auf Wahrheit beruht, hat Major Rich den Mord begangen. Wenn aber die Aussage des Dieners falsch ist? Dann hat der Diener Ihren Gatten getötet und die Leiche vor der Rückkehr seines Herrn in der Truhe versteckt. Von seinem Standpunkt aus eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Leiche loszuwerden. Er brauchte nur am nächsten Morgen ›den Blutfleck zu bemerken‹ und ›die Leiche zu
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