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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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hatte er immer ein enthaltsames Leben geführt, allein für die Arbeit und seine Familie –, Felícito rief sie an, und nachdem er lange um den heißen Brei herumgeredet hatte, verabredete er ein Treffen mit dem hübschen Fräulein aus dem Stadion. Sie bestellte ihn zuerst in ein Café an der Avenida Grau, das Balalaika, gleich bei diesen Parkbänken, wo sich, um die Abendfrische zu genießen, immer die alten Klatschmäuler versammelten, die das ZELA gegründet hatten, das Zentrum zur Erforschung des Lebens der Anderen. Sie nahmen einen Imbiss und unterhielten sich eine Weile. Es schüchterte ihn ein, vor einem so hübschen jungen Mädchen zu sitzen, und er fragte sich immer wieder,was er tun sollte, wenn plötzlich Gertrudis oder Tiburcio und Miguelito ins Café kämen. Wie sollte er ihnen Mabel vorstellen? Sie spielte mit ihm wie die Katze mit der Maus: »Bist du nicht schon ein bisschen klapprig, um eine Frau wie mich zu bezirzen? Außerdem bist du ein ziemlicher Knirps, an deiner Seite müsste ich ständig flache Absätze tragen.« Sie schäkerte nach Lust und Laune, beugte ihr fröhliches Gesicht zu ihm hin, ihre Augen ein Funkelmeer, und nahm seine Hand oder legte die ihre auf seinen Arm, eine Berührung, die Felícito bis in die Zehenspitzen erschauern ließ. Fast drei Monate musste er mit Mabel ausgehen, sie ins Kino einladen, zum Mittagessen, zum Abendessen, zu einem Ausflug an den Strand von Yacila und zu den Chichakneipen in Catacaos, musste ihr Geschenke machen, von kleinen Medaillen und Armbändern bis hin zu Schuhen und Kleidern, die sie selber auswählte, erst dann erlaubte sie ihm, sie in dem Häuschen zu besuchen, wo sie wohnte, im Norden der Stadt, nahe dem alten Friedhof von San Teodoro, an einer Ecke dieses Gewirrs von Gassen, streunenden Hunden und Sand, dem letzten Überbleibsel des Viertels La Mangachería. An dem Tag, an dem Felícito Yanaqué mit ihr schlief, weinte er zum zweiten Mal in seinem Leben (das erste Mal war an dem Tag gewesen, als sein Vater starb).
    »Warum weinst du, Herzchen? Hat es dir nicht gefallen?«
    »Noch nie in meinem Leben bin ich so glücklich gewesen«, gestand Felícito, kniete nieder und küsste ihr die Hände. »Bis heute wusste ich nicht, was es heißt, mit einer Frau zu schlafen, ich schwöre es. Du hast mir das Glück gezeigt, Mabelita.«
    Kurz darauf und ohne lange zu fackeln bot er ihr an, für sie einzurichten, was die Piuraner »das kleine Haus« nennen, und ihr monatlich eine bestimmte Summe zu zahlen, damit sie unbekümmert leben konnte, ohne Geldsorgen, an einem besseren Ort als in diesem Elendsviertel voller Ziegen, Nichtstuer und Messerstecher. Sie war so überrascht, dass sie nur sagen konnte: »Schwöre mir, dass du mich nie nach meiner Vergangenheit fragst und mir in deinem ganzen Leben keine Eifersuchtsszene machst.« »Das schwöre ich dir, Mabel.« Sie suchtesich das Haus in Castilla aus, nahe der Don-Bosco-Schule der Salesianerpatres, und richtete es nach ihrem Geschmack ein. Felícito unterschrieb den Mietvertrag und zahlte alle Rechnungen, egal in welcher Höhe, ohne zu protestieren. Das Geld für den Lebensunterhalt gab er ihr pünktlich, in bar, jeweils am Letzten des Monats, genau wie den Angestellten und Arbeitern von Transportes Narihualá ihren Lohn. Die Tage, an denen er zu ihr kam, vereinbarte er immer im Voraus. In acht Jahren war er niemals unerwartet in dem Häuschen in Castilla erschienen. Er wollte es nicht erleben, im Schlafzimmer seiner Geliebten einem anderen Mann zu begegnen. Auch versuchte er nicht herauszufinden, was sie an den Wochentagen machte, wenn sie sich nicht sahen. Natürlich ahnte er, dass sie sich ihre Freiheiten nahm, und er dankte ihr im Stillen, dass sie es diskret tat und ihm die Demütigung ersparte. Wie hätte er auch etwas dagegen haben können? Mabel war jung, lebensfroh, sie hatte ein Recht, sich zu amüsieren. Es war schon erstaunlich, dass sie akzeptierte, die Geliebte eines stark gealterten, noch dazu so kleinen und hässlichen Mannes zu sein. Nicht, dass es ihm nichts ausgemacht hätte, im Gegenteil. Wenn er Mabel schon mal in der Ferne erkannte, wie sie in Begleitung eines Mannes aus einem Laden oder dem Kino kam, drehte sich ihm vor Eifersucht der Magen um. Zuweilen hatte er Albträume, in denen Mabel ihm sehr ernst verkündete: »Ich werde heiraten, wir sehen uns heute zum letzten Mal, Herzchen.« Wenn er gekonnt hätte, hätte Felícito sie geheiratet. Aber er konnte nicht. Nicht nur, weil er

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