Ein Doppelleben im Kosmos
Farley-Archiv auch jede Person auf dem Schiff einbeziehen müsse, da Bonforte diesen Leuten begegnet war. Ich bat Penny um die betreffenden Akten. Sie schien etwas überrascht.
Aber bald war die Überraschung auf meiner Seite. Auf der >Tom Paine< befanden sich sechs Parlamentsmitglieder. Rog Clifton - und dann natürlich Bonforte. Aber die erste Notiz in Daks Akte lautete: »Darius K. Broadbent, Mitglied des Raumfahrerbundes, Obere Abteilung.« Da stand auch, daß er den Doktor der Physik gemacht hatte und vor neun Jahren bei den Kaiserlichen Wettkämpfen Meister im Pistolenschießen geworden war und drei Gedichtbände unter dem Schriftstellernamen Acey Wheelwright veröffentlicht hatte. Ich beschloß, niemals wieder einen Menschen nur nach seinem Gesicht zu beurteilen.
Hinzugefügt war in Bonfortes nachlässiger Schrift: »Fast unwiderstehlich für Frauen und umgekehrt.«
Penny und Dr. Capek waren ebenfalls Parlamentsmitglieder, ebenso Jimmie Washington, in einem »sicheren« Bezirk, wie ich später feststellte. Er vertrat die Lappländer. Er bekleidete auch ein Amt in der Gesellschaft der Wahren Bibelkirche vom Heiligen Geist, von der ich nie gehört hatte, woraus sich aber seine verschlossene Pastorenmiene erklärte.
Es machte mir besonderen Spaß, etwas über Penny zu lesen, das Ehrenwerte Fräulein Penelope Taliaferro Russell. Sie war Mitglied der Regierung von Georgetown und Abgeordnete von Wellesley. Sie vertrat die bezirkslosen Akademikerinnen, was, wie ich erfuhr, auch eine »sichere« Gruppe ist, da etwa vier Fünftel von ihnen Mitglieder der Expansionspartei sind.
Weiter unten waren ihre Handschuhnummer angegeben, ihre anderen Maße, ihre Lieblingsfarben - ich könnte ihr einige Winke bezüglich ihrer Kleidung geben -, ihr Lieblingsparfüm (Dschungelduft natürlich) und viele andere Einzelheiten, von denen die meisten recht harmlos waren. Aber es war eine Bemerkung hinzugefügt:
»Übertrieben ehrlich, arithmetisch, unzuverlässig. Sie ist stolz auf ihren Sinn für Humor, den sie nicht hat. Sie hält auf Diät, ißt aber sehr gern kandierte Kirschen, hat einen kleinen Komplex, alles Lebende bemuttern zu müssen, und ist außerstande, Gedrucktes in irgendeiner Form ungelesen zu lassen.«
Darunter stand noch eine zweite Bemerkung in Bonfortes Handschrift: »Oh, Wuschelkopf! Wieder einmal geschnüffelt, sehe ich!«
Als ich Penny die Akten zurückgab, fragte ich sie, ob sie ihre eigene Farley-Akte gelesen habe. Sie erwiderte mir schnippisch, ich solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern. Dann errötete sie und entschuldigte sich.
Der größte Teil meiner Zeit war von Studien in Anspruch genommen, aber ich befaßte mich auch damit, die körperliche Ähnlichkeit zu prüfen und zu vervollkommnen, nahm den Farbmesser zu Hilfe, arbeitete sorgfältig die Fältchen heraus, fügte zwei Leberflecke hinzu und bearbeitete das ganze mit der elektrischen Bürste.
Ich würde mich häuten müssen, bevor ich mein eigenes Gesicht zurückbekäme, aber das war ein geringer Preis für die Anlegung einer Maske, die man selbst mit Azeton nicht abreiben konnte und die gegen Mundtücher und dergleichen beständig war. Ich brachte sogar die Narbe auf dem beschädigten Bein an nach einem Foto, das Capek in Bonfortes Krankengeschichte eingeheftet hatte.
Wenn Bonforte eine Frau oder eine Geliebte gehabt hätte, wäre es ihr schwergefallen, nur aufgrund der körperlichen Erscheinung das Double von der echten Person zu unterscheiden. Es machte viel Mühe, aber es gab meinem Geist die Möglichkeit, sich unbeschwert mit dem wirklich schwierigen Teil der Verkörperung zu beschäftigen.
Aber die Hauptanstrengung während der Fahrt bestand darin, mich mit Bonfortes Gedanken und Ansichten vertraut zu machen, kurz mit der Politik der Expansionspartei. Er selbst war sozusagen die Expansionspartei, nicht nur ihr führender Kopf, sondern auch ihr politischer Philosoph und größter Staatsmann. Der Expansionismus war kaum mehr als ein »Manifest« gewesen, als die Partei gegründet wurde, ein paar zusammengewürfelte Gruppen, die eines gemeinsam hatten: den Glauben, daß die Grenzen im Weltraum das wichtigste Zukunftsproblem der menschlichen Rasse seien. Bonforte hatte der Partei eine vernunftgemäße Grundlage und eine Ethik gegeben und den Grundsatz aufgestellt, daß Freiheit und gleiche Rechte mit dem kaiserlichen Banner verbunden sein müßten. Er predigte immer wieder die Lehre, daß die menschliche Rasse nie wieder die
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