Ein Doppelleben im Kosmos
»guter« Mann einer, der ein dickes Bankkonto erwirbt, ohne sich erwischen zu lassen.
Nein, danke schön!
Aber selbst für einen Hund gibt es Anstandsregeln. Welches waren meine Regeln? Wie benahm ich mich, oder wie wollte ich mich zum mindesten gern benehmen?
»Die Vorstellung muß weitergehen!« Das war immer mein Glaubenssatz gewesen, und dafür hatte ich gelebt. Aber warum muß die Vorstellung eigentlich weitergehen, wenn man doch sieht, daß sie manchmal recht grausig ist? Nun, weil man eingewilligt hat, mitzumachen, weil vor dem Vorhang ein Publikum wartet. Alle haben bezahlt, und jeder einzelne Zuschauer hat Anspruch auf das Beste, was man leisten kann. Das ist man ihnen schuldig. Noblesse oblige.
Ich kam zu der Überzeugung, daß dieser Grundsatz sich auf jedwede Beschäftigung anwenden ließ. »Wert für Wert.« Man mußte sorgfältig und genau bauen. Der hippokratische Eid. Man durfte die Truppe nicht im Stich lassen. Ehrliche Arbeit für ehrliche Bezahlung. Solche Sätze brauchten nicht bewiesen zu werden, sie waren ein wesentlicher Bestandteil des Lebens, wahr bis in alle Ewigkeit, wahr in den fernsten Regionen der Milchstraße.
Plötzlich begann ich zu begreifen, worauf Bonforte zielte. Wenn es ethische Grundsätze gab, die über Zeit und Raum hinausreichten, dann galten sie für Marsbewohner genausogut wie für Menschen. Sie waren auf jedem Planeten wahr, der um eine Sonne kreiste, und wenn die menschliche Rasse nicht nach ihnen handelte, würde sie die Sterne nie erobern, weil irgendeine bessere Rasse sie wegen Doppelzüngigkeit ausschalten würde.
Der Preis für die Expansion war die Tugend.
Aber Bonforte predigte nicht Freundlichkeit und Aufklärung. »Ich bin kein Pazifist. Pazifismus ist eine launische Lehre, unter deren Schutz jemand die Vorteile der sozialen Gruppe annimmt, ohne bereit zu sein, dafür zu zahlen, und obendrein einen Glorienschein für seine Fahnenflucht verlangt. Das Leben gehört denen, die keine Angst haben, es zu verlieren. Dieses Gesetz muß angenommen werden!« Und damit war er aufgestanden und hatte seine Stimme abgegeben für eine Militärvorlage, die seine eigene Partei in einer Vorversammlung abgelehnt hatte.
Dann wieder hatte er gesagt: »Man muß Partei nehmen! Man muß immer Partei nehmen. Man wird bisweilen unrecht haben, aber wer es ablehnt, Partei zu nehmen, der ist immer im Unrecht. Der Himmel bewahre uns vor Schwächlingen, die sich vor der Entscheidung drücken. Wir wollen uns erheben und unsere Stimmen zählen lassen.«
Dies hatte er in einer geschlossenen Vorversammlung gesagt, aber Penny hatte es mit ihrem Apparat aufgenommen, und Bonforte hatte das Tonband aufgehoben. Bonforte hatte Sinn für Geschichte. Er sammelte Tonbänder. Wenn das nicht geschehen wäre, hätte ich nicht viel Arbeitsmaterial gehabt.
Ich kam zu der Ansicht, daß Bonforte mein Mann war. Oder wenigstens der Typ, der ich gern gewesen wäre. Er war eine Persönlichkeit, die ich mit Stolz verkörperte.
Soviel ich mich erinnern kann, habe ich auf dieser Fahrt nicht geschlafen, nachdem ich Penny versprochen hatte, die Audienz beim Kaiser auf mich zu nehmen, wenn Bonforte nicht dazu fähig wäre. Ich hatte mir zwar vorgenommen zu schlafen, denn es ist sinnlos, aufzutreten, wenn einem die Augen aus dem Kopf hängen. Aber das, was ich studierte, interessierte mich lebhaft, und in Bonfortes Pult war ein reichlicher Vorrat von Anregungstabletten. Es ist erstaunlich, wieviel man bewältigen kann, wenn man täglich vierundzwanzig Stunden lang arbeitet, ohne jede Unterbrechung und mit allen erdenklichen Hilfsmitteln.
Kurz bevor wir in Neu-Batavia ankamen, erschien jedoch Dr. Capek und sagte: »Machen Sie Ihren linken Unterarm frei.«
»Warum?« fragte ich.
»Wenn Sie vor dem Kaiser erscheinen, möchten wir nicht, daß Sie vor Müdigkeit platt auf den Boden fallen. Sie müssen bis zur Landung schlafen. Deshalb gebe ich Ihnen jetzt eine Spritze.«
»Sie nehmen also nicht an, daß er in Form ist?«
Capek antwortete nicht, sondern gab mir die Spritze. Ich versuchte die Rede, die ich angestellt hatte, zu Ende zu hören, aber ich muß wohl schon nach wenigen Sekunden eingeschlafen sein.
Das nächste war Daks Stimme, die ehrerbietig sagte: »Wachen Sie auf, Chef. Wir sind auf dem Raumhafen Lippershey gelandet.«
Kapitel 7
Da unser Mond ein luftloser Himmelskörper ist, kann ein Raumschiff darauf landen. Aber die »Tom Paine« war eigentlich dafür gedacht, im Raum zu bleiben und nur
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