Ein Doppelleben im Kosmos
auf einem Band waren zehntausend Wörter und mehr - und mir sagte, das seien alles persönliche Auskünfte über Bonfortes Bekannte, da stöhnte ich - halb war es ein Stöhnen, halb ein Aufschrei: »Um Gottes willen, Kind, ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß das nicht geht. Wie könnte sich jemand dies alles merken!«
»Natürlich können Sie das nicht.«
»Sie sagen aber, er hätte alles über seine Freunde und Bekannten im Kopf gehabt.«
»Nicht ganz. Ich habe gesagt, diese Dinge hätte er sich gern gemerkt. Aber da er das unmöglich konnte, machte er es folgendermaßen. Seien Sie unbesorgt, Sie brauchen nichts auswendig zu lernen. Sie sollen nur wissen, daß dies alles verfügbar ist. Ich mußte dafür sorgen, daß er wenigstens ein oder zwei Minuten Zeit hatte, die betreffende Akte zu studieren, ehe irgend jemand zu ihm gelassen wurde. Wenn es notwendig ist, werde ich Sie auf die gleiche Weise schützen.«
Ich blickte auf das typische Aktenstück, das sie auf das Lesepult gelegt hatte. Um einen Herrn Saunders aus Pretoria in Südafrika drehte es sich, glaube ich. Er besaß eine Bulldogge namens Schnüffelbully, hatte mehrere uninteressante Sprößlinge und trank gern etwas Zitrone in seinem Whisky-Soda.
»Penny, wollen Sie behaupten, daß Bonforte sich an solche Kleinigkeiten erinnerte? Das halte ich für Schwindel.«
Statt über diesen Angriff auf ihr Idol zornig zu werden, nickte Penny nüchtern. »Das habe ich auch einmal gedacht. Aber Sie sehen es nicht richtig an, Chef. Schreiben Sie sich je die Telefonnummer eines Freundes auf?«
»Ja, natürlich.«
»Ist das unehrenhaft? Entschuldigen Sie sich bei Ihrem Freund, weil Sie sich so wenig aus ihm machen, daß Sie nicht einmal seine Telefonnummer behalten können?«
»Wieso? Nun ja - ich gebe mich geschlagen, Sie haben mich überzeugt.«
»Dies sind Dinge, die er sich gern merken würde, wenn er ein vollkommenes Gedächtnis hätte. Da er das nicht hat, ist es ebensowenig ein Schwindel, es auf diese Art zu machen, wie ein Notizbuch zu benutzen, um den Geburtstag eines Freundes nicht zu vergessen, und das ist es ja in Wirklichkeit: ein Riesennotizbuch, in dem alles enthalten ist. Aber noch etwas anderes. Sind Sie jemals in Ihrem Leben einer wirklich bedeutenden Persönlichkeit begegnet?«
Ich versuchte nachzudenken. Penny meinte nicht die Theatergrößen. Sie wußte kaum, daß es solche gab. »Ich habe einmal Präsident Warfield getroffen. Ich war damals ein Junge von zehn oder elf Jahren.«
»Erinnern Sie sich an die Einzelheiten?«
»Natürlich. Er sagte: >Wie kommt es, daß du dir den Arm gebrochen hast, Junge?<, und ich sagte: >Ich bin Fahrrad gefahren, Herr Präsident!< Und er sagte: >Ist mir auch mal passiert. Aber bei mir war es das Schlüsselbeine«
»Glauben Sie, er hätte sich daran erinnern können?«
»Natürlich nicht.«
»Vielleicht doch. Vielleicht hat er Sie in das Farley- Archiv aufgenommen. Dieses Farley-Archiv hier umfaßt auch Jungen dieses Alters, weil Jungen heranwachsen und Männer werden. Das Entscheidende ist, daß bedeutsame Männer wie Präsident Warfield viel mehr Leuten begegnen, als sie im Gedächtnis behalten können. Jeder einzelne aus dieser gesichtslosen Menge erinnert sich an sein eigenes Zusammentreffen mit dem berühmten Mann, erinnert sich an alle Einzelheiten. Aber die allerwichtigste Person im Leben jedes einzelnen ist er selbst, und das darf ein Politiker nie vergessen. Der Politiker wirkt also höflich, freundlich und warmherzig, wenn er sich auf irgendeine Weise die kleinen Dinge über andere Leute merken kann, an die sie sich wahrscheinlich im Zusammenhang mit ihm erinnern. Das ist in der Politik wesentlich.«
Ich bat Penny, mir die Akte über Kaiser Willem vorzulegen. Sie war ziemlich schmal, was mir zuerst mißfiel, bis ich daraus den Schluß zog, daß Bonforte den Kaiser wahrscheinlich nicht gut kannte und ihn nur bei einigen offiziellen Gelegenheiten getroffen hatte. Bonfortes erste Amtszeit als Ministerpräsident lag vor dem Tode des alten Kaisers. Hier war kein Lebenslauf beigefügt, sondern nur die Notiz: »Vgl. Haus Oranien.« Ich schlug nicht nach. Ich hatte einfach keine Zeit, einige Millionen Wörter über das Reich und die Vorgeschichte des Reiches durchzuackern, und außerdem hatte ich in meiner Schulzeit in Geschichte sehr gute Noten gehabt. Ich wollte über den Kaiser nur das wissen, was Bonforte über ihn wußte und wovon andere Leute keine Kenntnis hatten.
Mir kam der Gedanke, daß das
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