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Ein Drama in Livland

Ein Drama in Livland

Titel: Ein Drama in Livland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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verhüllt und mit über den Kopf gezogener Kapuze, so daß man sein Gesicht nicht sehen konnte.
    Dieser richtete zuerst das Wort an den Schenkwirt.
    »Unser Postwagen ist zweihundert Schritt von hier zerbrochen, begann er. Der Postillon und der Schaffner haben sich nach Pernau auf den Weg gemacht und wollen uns morgen beizeiten hier abholen. Können Sie uns für die Nacht wohl zwei Zimmer geben?
    – Gewiß, antwortete Kroff.
    – Eines brauch’ ich für mich, setzte Poch hinzu, und womöglich mit gutem Bette.
    – Das sollen Sie haben, versprach Kroff. Sind Sie etwa verletzt?
    – Eine Hautabschürfung am Beine, erwiderte Poch. Eine Sache ohne Bedeutung.
    – Das zweite Zimmer nehme ich in Beschlag,« ließ sich der Reisende hören.
    Als er sprach, erschien es Eck immer, als ob ihm diese Stimme bekannt wäre.
    »Sapperment, sagte er für sich, ich möchte gleich darauf schwören… das ist doch…«
    Seiner Sache zwar nicht ganz sicher, trieb ihn doch ein polizeilicher Instinkt, sich über seine Vermutung näher zu unterrichten.
    Inzwischen hatte sich Poch an einem der Tische niedergesetzt und darauf seine noch immer an der Kette hängende Mappe gelegt.
    »Ein Zimmer, wendete er sich an Kroff, nun ja, das ist ganz schön; solch eine Hautwunde hindert mich aber nicht, zu essen, und ich habe tüchtigen Hunger.
    – Sofort sollen Sie ein Abendbrot erhalten, antwortete der Wirt.
    – Bitte, so schnell wie möglich!« rief Poch ihm nach.
    Da trat der Polizeibrigadier an ihn heran.
    »Nun wahrlich, Herr Poch, sagte er, das ist ja ein Glück, daß Sie nicht ernster verletzt worden sind!
    – Ah, rief der Bankbeamte, da ist ja der Herr Eck. Guten Tag, Herr Eck, oder vielmehr Guten Abend!
    – Guten Abend, Herr Poch!
    – Sie sind wohl auf einem Streifzuge hier?
    – Wie Sie sehen. Ihre Verletzung ist also wirklich unbedeutend?
    – Morgen wird kaum noch etwas davon zu sehen sein.«
    Kroff hatte schon Brot, kalten Speck und die Teetasse auf den Tisch gesetzt. Hierauf wandte er sich an den anderen Reisenden.
    »Und Sie mein Herr?…
    – Ich bin nicht hungrig. Weisen Sie mir mein Zimmer an, denn ich möchte bald schlafen. Wahrscheinlich warte ich die Rückkehr des Postschaffners gar nicht ab und mache mich schon früh vier Uhr auf den Weg.
    – Wie es Ihnen beliebt,« antwortete der Schenkwirt.
    Er führte den Reisenden hierauf in das links neben der Gaststube liegende Zimmer, das rechts gelegene hatte er für den Bankbeamten bestimmt.
    Während der Unbekannte aber sprach, hatte sich seine Kapuze etwas nach rückwärts verschoben, so daß der ihn beobachtende Brigadier etwas von seinem Gesicht sehen konnte. Das genügte ihm.
    »Ja, ja, murmelte er für sich, er ist es. Warum will er denn so frühzeitig aufbrechen und nicht einmal die Post abwarten, um damit weiter zu fahren?«
    Man weiß ja, auch die harmlosesten Umstände erscheinen den Leuten von der Polizei allemal etwas auffallend.
    »Und wohin will er zu Fuß?« fragte sich Eck, zwei Fragen, auf die der Reisende gewiß nicht geantwortet hätte, wenn sie ihm vorgelegt worden wären.
    Dieser schien übrigens nicht bemerkt zu haben, daß der Brigadier ihn scharf angesehen und ihn zu erkennen geglaubt hatte. Er begab sich also in das ihm von Kroff angewiesene Zimmer.
    Eck trat wieder an Poch heran, der mit gutem Appetit speiste.
    »Jener Reisende war mit Ihnen im Postwagen? fragte er.
    – Jawohl, Herr Eck, ich habe aber keine vier Worte aus ihm herausholen können.
    – Sie wissen auch nicht, wohin er sich begibt?
    – Nein, er ist in Riga eingestiegen, und ich glaube, er wollte nach Reval. Wenn Broks hier wäre, könnte er uns darüber Aufschluß geben.
    – O, das wäre wohl nicht der Mühe wert«, meinte der Brigadier.
    Kroff hörte von diesem Zwiegespräch gerade soviel wie jeder uninteressierte Gastwirt, der sich nicht darum bekümmert, wer seine Gäste sind. Er ging in der Schenkstube hier und dort hin, während die Bauern und Holzfäller sich verabschiedeten und ihm Gute Nacht wünschten.
    Der Brigadier, der es mit dem Fortgehen jetzt gar nicht mehr so eilig zu haben schien, zog den plauderlustigen Poch, dem das sehr gelegen kam, nochmals ins Gespräch.
    »Und Sie, Sie gehen nach Pernau? fragte er.
    – Nein, nach Reval, Herr Eck.
    – Im Auftrage des Herrn Johausen?
    – Ja, in dessen Auftrage,« antwortete Poch.
    Mit einer unwillkürlichen Bewegung zog er die auf dem Tische liegende Mappe mit den Wertpapieren näher an sich heran…
    »Das ist ja ein Wagenunfall,

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