Ein Drama in Livland
Schenke, die schon sein Vater besessen hatte. Im Umkreise von zwei bis drei Werst hätte man nirgends ein näher gelegenes Haus oder einen Weiler angetroffen… die Einsamkeit im vollsten Sinne des Wortes.
Als gelegentliche Kunden empfing Kroff nur die wenigen Reisenden, die hier einmal Halt machen mußten, als eine Art Stammgäste aber verkehrten bei ihm etwa ein Dutzend Bauern, die auf nahe gelegenen Feldern arbeiteten, und einige Holzfäller und Kohlenbrenner aus dem benachbarten Walde.
Ob der Gastwirt ein gutes Geschäft machte, hätte niemand sagen können; jedenfalls ließ er keine Klagen hören und war überhaupt nicht angelegt, über etwas zu sprechen, was ihn selbst betraf. Der Kabak war schon seit etwa dreißig Jahren im Betrieb, erst unter Leitung des Vaters – der als Schmuggler und Wilddieb sein Schäfchen ins Trockene gebracht hatte – und dann unter der des Sohnes. Die Leute in der weiteren Umgebung mutmaßten auch, daß es im »Umgebrochenen Kreuze« an Geld nicht fehle… es bekümmerte sich darum aber niemand näher.
Von Natur wenig mitteilsam, lebte Kroff sehr zurückgezogen und verließ seine Schenke nur in den seltenen Fällen, wo er einmal in Pernau zu tun hatte. Im übrigen arbeitete er in seinem Garten, solange ihn keine Gäste davon abriefen, denn er hatte weder eine Magd noch einen Burschen zur Hilfe. Von Person recht kräftig, hatte er ein rötliches Gesicht, starken Vollbart, üppiges Kopfhaar und einen freien, offenen Blick. Er richtete nie an jemand eine Frage und antwortete stets kurz und bündig, wenn jemand zu ihm sprach.
Das Haus, hinter dem der Garten lag, bestand nur aus einem Erdgeschoß mit einer einflügeligen Haupttür, durch die man sofort in die Gaststube eintrat, welche von einem Fenster im Hintergrunde erhellt wurde. Rechts und links schloß sich daran noch je ein nach der Straße hinaus gelegenes Zimmer. Die Wohnstube Kroffs befand sich in einem Anbau nach dem Gemüsegarten zu.
Tür und Fensterläden des Kabak waren sehr fest und mit tüchtigen Haken und schweren Eisenriegeln versehen. Der Wirt schloß sie stets schon mit Anbruch der Dämmerung ab, denn allzu sicher war es im Lande hier gerade nicht. Die Schenke blieb aber trotzdem bis abends zehn Uhr zugänglich. Augenblicklich saßen darin ein halbes Dutzend Gäste, die Wodka und Schnaps in lustige Stimmung versetzt hatten.
Der einen halben Morgen große Garten, der nur von einer lebenden Hecke umschlossen war, stieß an den sich längs der Straße hinziehenden Wald. Kroff baute darin die beliebtesten Gemüsearten, was ihm noch einen recht netten Gewinn einbrachte. Von Obstbäumen, die sich freilich keiner besonderen Pflege erfreuten, befanden sich darin einige dürftig entwickelte Kirschbäume neben Apfelbäumen, die recht gute Früchte lieferten, und außerdem dicht bestandene Beete voll Himbeersträuchern mit duftigen, glänzendroten Früchten, die in Livland überhaupt gut gedeihen.
Am heutigen Tage schwatzten und tranken an den Tischen der Gaststube drei oder vier Bauern und ebensoviele Holzfäller aus Weilern der Umgebung. Der Schnaps. das Spitzgläschen zu zwei Kopeken, lockte sie Tag für Tag hierher ehe sie nach ihren Gehöften oder Hütten heimkehrten, die drei bis vier Werst entfernt lagen. Die Nacht über blieb keiner im »Umgebrochenen Kreuze«; hier kehrten auch nur selten Reisende ein, um eine Nacht zu schlafen. Die Postillone und die Schaffner der Telegen und der Postwagen machten aber gern an der alten Schenke Halt, ehe sie zur letzten Strecke nach Pernau aufbrachen.
Außer den gewohnten Gästen saßen heute etwas abgesondert zwei Männer an einem Tische, die nur mit gedämpfter Stimme miteinander sprachen und die anderen Personen immer scharf im Auge behielten; das waren der Brigadier Eck und einer seiner Unterbeamten. Nach der Verfolgung längs der Pernova hatten sie ihre Nachsuchungen in der Umgegend fortgesetzt, wo sich verdächtiges Gesindel umhertreiben sollte, waren dabei aber immer in Verbindung mit den Patrouillen geblieben, denen die Überwachung der Dörfer und Weiler des Nordens der Provinz oblag.
Eck war von seinem letzten Zuge recht unbefriedigt zurückgekommen. Von dem Flüchtling, den er lebendig zu fangen und dem Major Verder einzuliefern gehofft hatte, war nicht einmal der Leichnam im Schollengewirr der Pernova gefunden worden… eine arge Verletzung seiner Eigenliebe.
Der Brigadier äußerte eben gegen seinen Begleiter:
»Wir können wohl annehmen, daß der Spitzbube
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