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Ein Drama in Livland

Ein Drama in Livland

Titel: Ein Drama in Livland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ertrunken ist.
    – Ohne Zweifel, bestätigte der Polizist.
    – Nun, so ganz ‘ohne Zweifel’ ist das leider nicht, wenigstens haben wir dafür keine greifbaren Beweise. Doch selbst wenn es uns gelungen wäre, den Mann als Leiche aufzufischen, hätte er dann doch nicht nach Sibirien zurückgeschickt werden können. Nein… lebend mußten wir den Burschen in die Hand bekommen… wahrlich, eine dumme Geschichte, die der Polizei nicht viel Ehre macht!
    – O, Herr Eck, ein andermal werden wir mehr Glück haben,« antwortete der Polizist, der sich mit den Fehlschlägen in seinem Berufe ruhiger abfand…
    Der Brigadier schüttelte den Kopf, ohne seinen Mißmut zu verhehlen.
    Draußen wütete der Sturm jetzt mit einer Heftigkeit ohnegleichen. Die Eingangstür knarrte in ihren Angeln, als wollte sie diese herausreißen. Der große Ofen hörte wie erstickt manchmal zu knattern auf und dröhnte dann wieder wie ein Hochofen. Man hörte in der Tannenwaldung die Äste knicken und brechen, die dann zum Teil auf das Dach des Kabaks geschleudert wurden, als sollten sie es einschlagen.
    »He, da macht sich ja die Arbeit der Holzfäller ganz allein, sagte einer der Bauern, die brauchen ja ihre Ladung nur zusammenzulesen!
    – Es ist auch das richtige Wetter für Verbrecher und Schmuggler, setzte der Polizist hinzu.
     

    Der Brigadier konnte etwas von seinem Gesicht sehen. (S. 69.)
     
    – Ja, wie für solche Burschen geschaffen, antwortete Eck, doch deshalb braucht man sie nicht nach Belieben schalten und walten zu lassen!… Es steht fest, daß hier eine schlimme Bande ihr Wesen treibt; aus Tarvart wird ein Einbruch und aus Karkus ein Mordversuch gemeldet. Ja, die zwischen Riga und Pernau ist jetzt höchst unsicher. Die Verbrechen vermehren sich, und den Verbrechern gelingt es in den meisten Fällen zu entwischen. Und doch, was wagen sie denn, wenn sie sich abfangen lassen?… In Sibirien Salz zu fördern, und das ängstigt sie nicht. Früher, wo es ein Tänzchen in der Hanfschlinge galt, da mußte sich einer die Sache überlegen. Die Galgen sind jetzt aber zusammengebrochen, wie das Kreuz des Kabaks Meister Kroffs…
    – Man wird sie schon wieder aufrichten, meinte der Polizist.
    – Die höchste Zeit dazu wär’ es wirklich,« versicherte Eck.
    Wie hätte ein Polizeibrigadier auch beistimmen können, daß die für politische Verbrechen beibehaltene Todesstrafe für Vergehen gegen das gemeine Recht abgeschafft worden war!… Das ging über seinen Verstand und geht ja ebenso über den Verstand vieler guten Leute, die nicht zur Polizei gehören.
    »Nun aber vorwärts, mahnte Eck, indem er sich schon zum Aufbruch fertig machte. Ich muß mit dem Brigadier der fünften Abteilung in Pernau zusammentreffen, da ist keine Zeit mehr zu verlieren!«
    Bevor er aufstand, klopfte er erst noch auf den Tisch.
    Kroff kam sofort herbeigelaufen.
    »Wieviel, Kroff? fragte er und holte einiges Kleingeld aus der Tasche.
    – Das wissen Sie ja selbst, Brigadier, erwiderte der Schenkwirt. Bei mir gilt für alle nur der gleiche Preis.
    – Auch für die, die in deinen Kabak kommen, wo sie wissen, daß du sie weder nach Papieren noch nach ihrem Namen fragst?
    – Ich gehöre nicht zur Polizei, antwortete Kroff ziemlich kurz.
    – O alle Gastwirte sollten dazu gehören, dann wäre wohl mehr Ruhe und Frieden im Lande! entgegnete der Brigadier. Nimm dich in Acht, Kroff, daß man dir nicht eines schönen Tages die Bude zumacht, wenn du sie nicht von Schmugglern und vielleicht noch schlimmeren Gesellen rein hältst!
    – Ich gebe dem zu trinken, der mich bezahlt, antwortete der Gastwirt, und ich weiß ebensowenig, wohin meine Gäste gehen, wie ich von ihnen wußte, woher sie kamen.
    – Gleichviel, Kroff! Stelle dich nur nicht taub, wenn ich mit dir rede, du könntest’s sonst noch einmal an den Ohren fühlen. Nun, gute Nacht… auf Wiedersehen!«
    Der Brigadier Eck erhob sich, bezahlte die Zeche und ging, der Polizist hinter ihm, auf den Ausgang zu. Die anderen Gäste folgten seinem Beispiele, denn das schlechte Wetter verlockte sie nicht, noch länger im Kabak »Zum umgebrochenen Kreuze« sitzen zu bleiben.
    In diesem Augenblick öffnete sich aber die Tür, die vom Sturme dann heftig wieder zugeschlagen wurde.
    Herein traten zwei Männer, deren einer den anderen, welcher hinkte, am Arme führte.
    Das waren Poch und sein Reisegefährte, die auf der Landstraße mit der Post verunglückt waren.
    Der unbekannte Reisende erschien wie immer mit seinem Mantel

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