Ein düsteres Weihnachtsmärchen (German Edition)
Heldentat.“
Doch noch bevor sie den Ort des Geschehens verlassen hatten, öffnete sich hinter ihnen erneut der Boden. Erschrocken fuhren sie herum. Dieses Mal war das Loch jedoch nicht feuerrot, sondern strahlte in einem angenehmen Blau.
„Was ist das?“, fragte Julian.
Der Großvater schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich weiß es nicht.“
Sie gingen ein paar Schritte auf die Öffnung zu. Im nächsten Augenblick sahen sie, wie hell leuchtende Geistgestalten daraus emporstiegen. Die eine Gestalt flog ein Stück auf die Verdutzten zu. Der Körper glich nur einem hell leuchtenden Torso, ohne richtige Arme und Beine. Das Wesen hatte jedoch ein deutlich erkennbares Gesicht. Es war das Gesicht eines kleinen Mädchens. Als sie es ansahen, lächelte es und sprach: „Wir danken euch! Ihr habt uns von dem Fluch des Krampus befreit. Nun können wir endlich den finsteren Höllenort verlassen und Frieden finden. Wir steigen jetzt auf in das Licht. In den Himmel. Dafür werden wir euch ewig dankbar sein!“ Das Mädchen lächelte abermals zum Abschied und verschwand mit den anderen in einem hell leuchtenden Licht, das am Himmel erschien und sie in sich aufnahm.
Julian und die anderen konnten kaum hineinsehen, so hell war es. Als das letzte der Geistwesen darin verschwand, löste es sich auf. Im nächsten Augenblick war der frühmorgendliche Himmel wieder der Dunkelheit überlassen.
Großvater Maximilian war sichtlich ergriffen. „Was für ein herrliches Wunder!“
„Wer war das?“, wollte Julian wissen.
Der Großvater verdrückte sich eine Freudenträne. „Das waren die zweiundvierzig Kinder, die der Krampus in der ersten Nacht des Fluches mit in die Hölle nahm. Das Mädchen, das zu uns gesprochen hat, heißt Rebecca. Sie ging einmal mit mir zur Schule. Weil wir den Fluch gebrochen haben, sind ihre Seelen nun frei. Kinder, ihr seid wirklich wahre Helden!“
„Und du auch!“, meint Julian.
„So ist es!“, stimmte ihm Hannah zu.
„Also gut“, der Großvater lachte. „Dann sind wir eben alle Helden. Und natürlich auch unser kleiner Wolly hier!“
Das Wollhörnchen saß auf Julians Schulter und fiepte vergnügt, als der Großvater ihm durchs Fell strich.
„Ja! Unser Wolly ist der Größte!“, meinten die Kinder fast einstimmig.
Dann lachten sie alle und machten sich auf den Weg ins Dorf.
Die Leute in Tanngrün konnten es kaum glauben, was ihnen die Kinder und der Großvater an diesem Morgen erzählten.
Besonders ungläubig und streng schauten Julians und Hannahs Eltern drein. Die beiden bekamen erst einmal eine saftige Standpauke gehalten. Doch der Großvater entschärfte die Situation und hob die gute Tat in den Vordergrund. Schließlich wurden sie von allen bejubelt. Und auch die Eltern beruhigten sich bald.
Ab diesem Zeitpunkt waren die vier Helden hoch angesehen und man widmete ihnen sogar ein Denkmal in der Ortsmitte von Tanngrün.
Das Weihnachtsfest im darauffolgenden Jahr, sollte das Schönste seit langem werden. Anfänglich waren viele der Leute noch misstrauisch, ob der Krampus nicht doch wiederkehren könnte. Aber als die Dunkelheit hereinbrach und nichts von dem Unhold zu sehen war, legten sich ihre Sorgen. Das Weihnachtsfest konnte endlich wieder unbeschwert, am Abend des vierundzwanzigsten Dezember, mit der ganzen Familie gefeiert werden.
An diesem Abend saßen auch die Familien von Julian und Hannah beisammen. Ab jetzt wollten sie Weihnachten immer gemeinsam feiern. Unter dem Weihnachtsbaum lagen bunt verpackte Geschenke, für jeden war etwas dabei. Julians Mutter stellte einen vorzüglichen Braten, dazu Klöße, Kraut und Soße, sowie einen herrlichen Pudding als Nachspeise auf den Tisch. Alle bestaunten das festliche Mahl und ließen es sich schmecken.
Nach dem Essen fand die Bescherung statt. Endlich wieder so, wie es ursprünglich Tradition gewesen war, bevor der Fluch über Tanngrün hereinbrach. Jeder überreichte dem anderen ein Geschenk und erfreute sich an dessen Reaktion. So ging es nach gutem Brauchtum.
Zu einem späteren Zeitpunkt, als ein wenig Ruhe eingekehrt war, versammelten sich alle um den Großvater. Der alte Maximilian rauchte vergnügt seine Pfeife und erzählte dabei Geschichten von Früher.
Wolly tobte derweil auf dem prächtig geschmückten Weihnachtsbaum herum. Der Kleine durfte ab jetzt im Hause mitfeiern. Julians Eltern hatten es ausdrücklich erlaubt.
Es war ein unvergessliches Weihnachtsfest. Und viele Weitere sollten noch folgen.
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