Ein dunkler Gesang
Lichtkugel
, eine verschwommene Geistererscheinung. Huw Owen nannte das ein Geister-Ei, allerdings konnte man bei ihm nie sicher sein, ob er nicht vielleicht gerade einen Witz machte.
«Dachte der Fahrer, dass an diesem Licht irgendetwas … merkwürdig war?»
«Na ja, merkwürdig war es bestimmt, aber ich glaube nicht, dass es jemand mit etwas
Geisterhaftem
in Verbindung brachte. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Aber dann war das mit Mr. Loste … und den anderen.»
«Mrs. Cobham.»
«Sie ist ein bisschen …», Mrs. Aird reckte ihre Nase in die Höhe, «… wenn Sie mich fragen. Und nicht besonders freundlich. Mr. Loste … na ja, manche Leute halten ihn für … manisch. Besessen. Besessen von seiner Musik und seinem Chor … aber das muss man ihm lassen, er ist großartig. Er hat wahre Wunder vollbracht. Aber einige Leute halten ihn eben in gewisser Hinsicht für unglaubwürdig. Und dann seine Freundschaft mit dieser Amerikanerin, die zu den Quellen geht. Das ist ein
bisschen
befremdlich. Aber … er hat gesehen, was er gesehen hat, und das wird er Ihnen auch erzählen.»
«Ich hoffe, ihn später zu treffen. Vermutlich muss ich zuerst noch einmal mit dem Pfarrer sprechen.»
«Er ist nicht da. Sein Auto ist weg», sagte Mrs. Aird.
Wie konnte sie das von ihrem Haus aus sehen? Hatte sie irgendwo ein Periskop installiert?
«Er hat ja drei Gemeinden zu betreuen. Und dann noch all seine eigenen Probleme.»
Merrily trank einen Schluck Tee.
Ach so.
«Ehrlich gesagt … darüber weiß ich überhaupt nichts. Ich frage nicht gerne nach solchen Sachen.» Sie spähte über ihre Tasse. «Ich will schließlich nicht neugierig erscheinen.»
Mrs. Aird sah zur Decke hinauf und seufzte schmerzlich.
«Seine Tochter hat alles kaputtgemacht. Emily. Er hat auch einen Sohn, aber der ist zu jung, um solchen Ärger zu machen. Emily ist ungefähr achtzehn. Mrs. Spicer, Fiona, stammt aus Reading oder so, jedenfalls aus der Nähe von London. Sie mochte das Landleben eigentlich nie, und als Mr. Spicer aus der Armee ausgeschieden ist … Sie wissen doch, in welcher Einheit er war, oder?»
«Hmm … nein.»
«S … A … S.»
Mrs. Aird flüsterte die Buchstaben so verschwörerisch, als würde sie ein Staatsgeheimnis verraten.
«Wirklich?»
Kein Wunder, dass sich Syd Spicer in den Brecon Beacons auskannte. In der einsamen Bergregion wurde das knallharte Kampftraining der SAS durchgeführt, der geheimnisumwittertsten Spezialeinheit der britischen Armee.
«War ungefähr acht Jahre dabei», sagte Mrs. Aird. «Und wer einmal dabei war, ist für immer dadurch geprägt, wenn Sie mich fragen.»
«Mmm.»
Das stimmte vermutlich. Und sie blieben auch oft in der Gegend. In den vielen Jahren, in denen sie in Hereford stationiert waren, wo sie zu effizienten Tötungsmaschinen mit und ohne Uniform ausgebildet wurden, entstand eine Bindung an die Einheimischen und die Landschaft. Sie heirateten Mädchen aus der Gegend. Überraschenderweise – oder vielleicht auch nicht – war Spicer nicht der erste Ex- SAS -Mann, der Pfarrer wurde.
«Stellen Sie sich mal vor, was für ein Stress das für sie war», sagte Mrs. Aird. «Nie wusste sie, wo auf der Welt er gerade unterwegs war, nur dass es immer unheimlich gefährlich war, das wusste sie genau.»
Merrily nickte. SAS -Leute hatten vermutlich das schlimmste Eheleben außerhalb Hollywoods. Frühstück mit der Ehefrau, Abendessen in einem Unterstand in Afghanistan. Es mussten schon besondere Frauen sein, die das durchhielten. Diese langen Phasen des Alleinseins, während deren sie die Regimentsgräber auf dem Friedhof von St. Martin zählen konnten.
«Manchmal …», Mrs. Aird beugte sich erneut vor, «… ist Fiona zum Reden zu mir gekommen. Sie sagte, er hätte ihr immer versprochen, dass sie nach seinem Ausscheiden aus der Armee zurück in den Süden gehen – helles Licht und keine Schafe, hat sie immer gesagt. Aber dann hat er vermutlich zum Glauben gefunden. Ich weiß nicht, wo ein Mann mit seinem Leben zum Glauben finden kann.»
«Oh … manchmal findet man ihn einfach auf seinem Weg, wie einen alten Mantel, und bevor man sich’s versieht, hat man ihn aufgehoben und übergestreift, und er scheint sehr gut zu passen.»
«Das klingt schön», sagte Mrs. Aird.
«Wie hat Mrs. Spicer darauf reagiert?»
«Oh, sie hat zu ihm gehalten.»
Merrily lächelte. Als ob Spicer plötzlich entdeckt hätte, dass er transsexuell war.
«Jetzt wusste sie wenigstens, wo er war. Zuerst
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