Ein dunkler Ort
Flures stand dort, wo der Salon gewesen war, eine undurchdringliche Wand aus Feuer.
Der Rauch war dicht, aber sie konnte die geschwungene Treppe ausmachen, die in den ersten Stock führte. Sie erreichte die erste Stufe und begann den Aufstieg, nur um auf dem Treppenabsatz entsetzt haltzumachen, weil vor ihr wild züngelnde Flammen loderten.
»Aber das kann nicht sein!«, keuchte sie. Und dann stellte sie zu ihrer Erleichterung fest, dass der Spiegel ihr wieder einmal einen seiner gemeinen Streiche gespielt hatte, indem er das Bild des flammenden Infernos in der Halle zurückwarf. Sie setzte ihren Weg fort und gelangte in den Flur des ersten Stockwerks. Hier war es kühler als unten und der Rauch war nicht so dicht. Das einzige Licht war das im Spiegel, es war blass und flackerte, aber es reichte, um den Weg zu Lyndas Tür zu finden. Kit griff nach dem Türknauf, drehte ihn und stieß einen frustrierten Aufschrei aus. Wie hatte sie vergessen können, dass die Tür abgeschlossen war? Es gab keine Möglichkeit, sie zu öffnen. Wenn sie zum Kutscherhaus laufen und den Schlüssel von Madame holen würde, könnte sie nicht mehr durch den unteren Flur zurückkommen.
Mit der Faust hämmerte sie gegen die Tür.
»Lynda?«, brüllte sie. »Lynda bist du wach da drinnen? Hörst du mich, Lynda?«
Von drinnen war kein Laut zu hören. Kit hämmerte lauter.
»Lynda, antworte! Ich weiß, dass du da drinnen bist. Du musst da sein. Lynda, es brennt! Blackwood steht in Flammen. Hörst du?«
War es Einbildung oder hörte sie wirklich ein leises Rascheln, eine Bewegung, so etwas wie eine Reaktion auf ihre Rufe? Kit fing an, gegen die Tür zu treten.
»Blackwood brennt! Blackwood steht in Flammen!«
»Wer?« Die Stimme auf der anderen Seite der Tür klang leise und unsicher, irgendwie benommen, so als sei die Sprecherin eben erst aus tiefem Schlaf aufgewacht. »Wer ist da?«
»Kit! Kit Gordy!« Kit hörte auf zu hämmern und beugte sich zum Schlüsselloch runter. »Lynda, hör zu! Du musst irgendwie rauskommen. Die Tür ist abgeschlossen und ich habe keinen Schlüssel. Du kannst nur durchs Fenster. Du musst aus dem Fenster springen.«
»Aus dem Fenster?« Lynda war ein hohles Echo. »Aber das kann ich nicht. Das ist viel zu hoch.«
»Ruth und Sandy stehen unten, sie fangen dich auf. Außerdem ist da Rasen, nicht die Auffahrt. Du musst es tun, Lynda, dir bleibt nichts anderes übrig. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
»Aber meine Gemälde!«, rief Lynda. »Die kann ich nicht zurücklassen!«
»Du wirst neue malen.« Das war natürlich gelogen, aber sie sagte das ganz ohne Schuldgefühle. »Verschwende jetzt keine Zeit mit Gerede, geh rüber zum Fenster. Jetzt! Sofort. Ich bleib hier, bis ich weiß, dass dir nichts passiert ist. Geh gucken, sind die Mädchen da unten?«
Einen Moment lang war es still. Dann hörte sie Lyndas Stimme wieder, ganz schwach, aus größerer Entfernung.
»Ja, sie sind da. Sandy und Ruth und Jules. Jules ist bei ihnen.«
»Mach das Fenster auf!«, rief Kit. »Beeil dich, schwing die Beine über den Sims! Wenn du dich vom Sims runterlässt, fällst du nicht so weit.«
»Es regnet«, sagte Lynda verwundert. »Ich wusste gar nicht, dass es regnet. Ich kann sie da unter dem Fenster stehen sehen. Sie winken und strecken die Arme zu mir hoch. Wie kann es sein, dass ich sie sehen kann, es ist doch Nacht?«
»Das ist das Feuer, das aus den Fenstern leuchtet!« Der Rauch im Flur wurde dichter und das Tuch vor ihrem Gesicht war trocken. »Spring!«, schrie Kit. »Bitte. Lynda, du musst es tun. Ich kann nicht länger hierbleiben!«
Keine Antwort. Hatte sie es getan? Oder stand sie immer noch am Fenster und schaute die vom Feuer angestrahlten Gestalten an, die unten auf sie warteten?
Kit rüttelte am Türknauf.
»Lynda?«, rief sie noch einmal.
Von drinnen war kein Laut zu hören. Blackwood lag lautlos da, bis auf dieses anhaltende Knistern, das Kit schon eine ganze Weile hörte, wie ihr plötzlich bewusst wurde. Sie holte Luft und bekam einen Hustenanfall. Ihre Fußsohlen waren ganz heiß. Sie bückte sich und presste die Hand auf den harten Holzfußboden, riss sie aber schnell wieder hoch, denn es war, als habe sie sie auf einen glühenden Grill gelegt.
Länger konnte sie nicht warten.
»Viel Glück«, rief sie Lynda zu. Doch sie hoffte, dass sie nicht mehr da war und sie hörte. Dann drehte sie sich um und lief durch den Flur zurück zur Treppe.
Der Flur kam ihr jetzt heller vor, die Hitze
Weitere Kostenlose Bücher