Ein dunkler Ort
den Kopf. »Sorry. Es ist tragisch, aber wir können nichts machen. Wenn die Feuerwehr kommt, dann vielleicht …«
»In einer Stunde?« Kit brüllte. »So lange wird es dauern, bis die Leute im Dorf ihre Freiwilligen zusammengetrommelt haben und hier wieder rausgefahren sind. Bis dahin ist dieses Haus verkohlt.«
»Nun ja, ich hab nicht vor, auch zu verkohlen«, sagte Ruth. »Mach dir nichts vor, Kit, das Feuer hat sich schon über die ganze Vorderseite ausgebreitet. Sieh dir die Fenster mal an, sie glühen! Zur Haustür kommen wir nicht mehr rein.«
»Wir können durch die Küche laufen«, sagte Kit. »So weit kann das Feuer in der kurzen Zeit noch nicht gekommen sein. Ruth, es geht um Lynda, deine beste Freundin.«
»Tut mir leid«, sagte Ruth. »Ehrlich. Aber wir haben keine Chance lebend in den zweiten Stock rauf und wieder runter zu kommen. Wir würden Lynda nicht retten und unser eigenes Leben wegwerfen – für nichts.«
»Ich fürchte, sie hat recht, Kit«, sagte Sandy zittrig. »Wenn wir etwas tun wollen, dann müssen wir uns unter Lyndas Fenster stellen und zu ihr hoch schreien. Vielleicht bringen wir sie dazu, runterzuspringen.«
»Bei diesem Sturm wird sie uns nie hören.«
»Wir könnten Steine ans Fenster werfen.«
»Glaubst du wirklich, darauf würde sie reagieren? Sie antwortet ja nicht mal, wenn wir durch die Tür nach ihr rufen.«
»Kommt auf einen Versuch an, nicht wahr?«, sagte Ruth. »Das ist besser als gar nichts.«
»Nicht viel besser als gar nichts«, erwiderte Kit. »Ihr könnt ja Steine werfen, wenn ihr wollt. Ich versuche, durch die Küche reinzukommen.«
»Das kannst du nicht. Dann sitzt du in der Falle!« Sandy packte ihren Arm.
Kit schüttelte sie ungeduldig ab.
»Ich werde Lynda da oben nicht sterben lassen, wenn es eine Möglichkeit gibt, sie rauszuholen.«
Sie ließ die beiden Mädchen stehen und rannte ums Haus herum. Als sie um die Ecke kam, schlug ihr der Wind mit voller Wucht entgegen und die Regentropfen trafen sie wie Kugeln aus Stahl.
Irgendwo links von ihr lag der See, aber in der Dunkelheit und bei dem starken Regen konnte sie ihn nicht sehen. Ihre Füße fanden den vertrauten Kiesweg, als trockene Halme des toten Gartens ihre Knöchel streiften und ein dorniger Rosenzweig ihre Wange peitschte.
»Kit! Warte!« Sandys Stimme erreichte sie aus der Ferne.
»Ich kann nicht warten«, rief Kit zurück. »Keine Zeit!«
Hinter dem Haus kam sie leichter voran, hier standen die Pflanzen nicht so dicht und die Mauern schützten sie vor dem Regen. Sie lief durch die Finsternis, stieß gegen die Müllverbrennungsanlage, kehrte wieder um und fand schließlich den Weg, der zur Küchentür führte. Einen panischen Moment lang fürchtete sie, dass sie vielleicht verschlossen sein könnte, aber sie ging leicht auf, und wenig später war sie drinnen und tastete sich durch die dunkle Küche. Sie erreichte die andere Seite des Raumes, stieß die Tür zum Esszimmer auf und taumelte hustend zurück, als ihr beißender Rauch entgegen schlug. Sofort ließ sie die Tür wieder ins Schloss fallen, lehnte sich nach Luft ringend an den Küchentisch und wischte sich die ätzenden Dämpfe aus den Augen.
Sie brauchte eine Maske, aber wie sollte sie so was in der Dunkelheit finden? Verzweifelt versuchte sie, sich den Grundriss der Küche ins Gedächtnis zu rufen. An der Spüle war ein Ständer, auf dem Natalie immer die Geschirrhandtücher zum Trocknen aufgehängt hatte, aber benutzte Lucretia den noch, jetzt, wo Natalie nicht mehr da war?
Sie tastete sich an der Arbeitsfläche entlang, immer mit einem Arm an der Wand. Ihre Hand fuhr über die glatten Fliesen, fand die Spüle, die Wasserhähne … und dann spürte sie weiche Baumwolle.
»Gott sei Dank«, hauchte Kit. Sie zog das Tuch vom Ständer, tastete nach dem Wasserhahn und drehte ihn auf. Das Wasser war kalt und als das Handtuch tropfnass war, bedeckte sie ihren Kopf damit und ließ es wie einen Schleier übers Gesicht fallen. So kehrte sie zur Esszimmertür zurück. Jetzt konnte sie den Rauch ertragen, zumindest so lange, bis sie die Treppe erreicht hatte, dachte sie. Doch erst als sie den Raum zur Hälfte durchquert hatte, wurde ihr klar, dass sie nicht mehr blind daher lief. Ein schwacher Lichtschein, der vom Flur herein fiel, hätte sie eigentlich auf das vorbereiten müssen, was sie dort sehen würde – aber das war nicht so. Als sie die Tür zum Flur öffnete, schlug ihr die Hitze mit Wucht entgegen. Am anderen Ende des
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