Ein Earl kommt selten allein (German Edition)
Christianas Hand anhalten wollte, und als er gehört hatte, in welcher Not sich ihr Vater befand, hatte er ihm angeboten, im Gegenzug die restlichen Schulden zu begleichen.
Man musste ihrem Vater zugutehalten, dass er erst in den Handel eingewilligt hatte, nachdem Dicky ihn davon überzeugt hatte, dass er Christiana wirklich liebte. Dicky hatte behauptet, sie im Sommer bei einem Volksfest gesehen und kurz mit ihr gesprochen zu haben, woran sie sich allerdings nicht erinnerte. Er hatte auch behauptet, von ihr so fasziniert gewesen zu sein, dass er begonnen hatte, mehr über sie in Erfahrung zu bringen. Und je mehr er über sie erfahren hatte, desto mehr hatte sie ihm gefallen.
Seine Worte waren ziemlich überzeugend gewesen und hatten ihren Vater beeindruckt. Aber obwohl er sich in der Klemme befunden hatte, wollte er nur seinen Segen zu dieser Verbindung geben, wenn Christiana ebenfalls einverstanden war.
Unglücklicherweise war Christiana leicht zu überreden gewesen. Dicky sah gut aus, er war vermögend und ein Earl. Jede junge Frau hätte sich geschmeichelt gefühlt, wenn ein solcher Mann ihr den Hof gemacht hätte.
Und wie er ihr den Hof gemacht hatte! Er war so liebevoll gewesen, hatte sie seine kleine Rosenknospe genannt und mit berührenden Gedichten und Beteuerungen seiner unsterblichen Liebe bezaubert. Das alles war ziemlich berauschend gewesen für eine einfache junge Frau, die bisher zurückgezogen auf dem Land gelebt hatte und deren einzige Kameraden bisher die eigenen Schwestern und ein Nachbarsjunge gewesen waren. Nicht lange, und er hatte sie vollständig für sich eingenommen. Schließlich hatte sie der Verbindung zugestimmt.
Christiana verzog das Gesicht, als sie daran dachte, wie naiv und dumm sie gewesen war. Jetzt erkannte sie, dass sie seine Absichten hätte hinterfragen und sich für ihre Entscheidung mehr Zeit ausbedingen müssen. Andererseits hatte ihr Vater die Spielschulden spätestens nach zwei Wochen begleichen müssen, und sie hatte – dumm, wie sie war – jedes Wort geglaubt, das Dicky zu ihr gesagt hatte. Sie war fest davon überzeugt gewesen, dass er sie liebte und es keinen anderen Grund für seine stürmische Werbung gab. Was hätte es schließlich auch für einen geben können? Er wusste nichts von der außerordentlich großen Mitgift, die Christiana und ihre Schwestern testamentarisch von Baron Sefton erhalten hatten, dem Vater ihrer Mutter. Es war ein Familiengeheimnis.
Als er sich nach der Hochzeit so radikal verändert hatte, hatte sie sich allerdings irgendwann gefragt, ob er vielleicht doch davon gewusst hatte und diese Mitgift der eigentliche Grund gewesen war, warum er um sie geworben hatte. Doch sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie er davon hätte erfahren können.
»Vater hat gesagt, dass er es nicht gewollt hat«, sagte Suzette unglücklich und lenkte Christianas Aufmerksamkeit wieder auf das neue Problem. »Er fühlt sich schrecklich und zerbricht sich seither den Kopf darüber, wie er seine Schulden zurückzahlen kann. Aber ihm will einfach nichts einfallen.«
Christiana verzog das Gesicht. Auch beim ersten Mal hatte er sich schrecklich gefühlt. »Wann war das? Und wie ist es passiert? Er war ja nicht einmal in London, und in der Nähe von Madison gibt es keine solchen –«
»Er war letzten Monat in London«, berichtigte Lisa sie ruhig. »Wusstest du das nicht?«
»Nein«, gab Christiana bestürzt zu. »Wieso hat er mich nicht besucht, wenn er doch hier war?«
»Aber das hat er doch getan«, versicherte Suzette ihr. »Genau genommen war das der Grund, weshalb er überhaupt nach London gereist ist. Er hat sich Sorgen gemacht, weil Dicky uns nie mit dir besucht und wir nie Antworten auf die Briefe bekommen haben, die wir dir geschickt haben.«
»Ich habe keine Briefe von euch bekommen, aber euch die ganze Zeit jede Woche geschrieben«, sagte Christiana ruhig, während sich die Wut langsam in ihren Magen hineinfraß. Dass keine Antworten auf ihre Briefe gekommen waren, hatte sie noch einsamer und niedergeschlagener gemacht. Jetzt sah es so aus, als hätte Dicky irgendwie dafür gesorgt, dass keiner ihrer Briefe das Haus verließ und sie auch keinen erhielt.
Was hat dieser Mann wohl noch getan?,
fragte sie sich verbittert.
»Dieser Mistkerl«, fauchte Suzette und sah aus, als wollte sie am liebsten irgendetwas zerschlagen.
»Habt ihr eben gesagt, dass Vater hier gewesen ist?«, fragte Christiana und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder
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