Ein Earl kommt selten allein (German Edition)
Suzette vor Erleichterung auf, hielt aber unvermittelt inne, als Dicky ihr folgte. Dann sah sie mit offensichtlicher Frustration zu, wie er Christiana mit unglaublich langsamen Bewegungen zu einem Sessel führte und ihr half, sich hinzusetzen.
»Nun?« Dicky wölbte eine Braue, während er sich auf die Armlehne setzte; er überragte Christiana dabei deutlich und wirkte in dieser Haltung wie ein Raubvogel, der kurz davor war, sich auf etwas hinabzustürzen. Dann sah er ihre Schwestern mit einem Blick an, als wären sie ungezogene Kinder. »Was ist denn nun so wichtig, dass ihr zu dieser unheiligen Stunde hier aufkreuzen musstet?«
Suzettes Blick wanderte zu Christiana und dann zu Lisa, bevor sie sich zu einem kühlen Lächeln zwang und auf liebliche Weise log: »Gar nichts. Wir haben Chrissy nur schrecklich vermisst. Es ist mehr als ein Jahr her, seit ihr geheiratet habt, und
obwohl du es versprochen
hattest
, hast du sie uns noch immer nicht zu Besuch gebracht.«
Christiana konnte spüren, wie sich Dicky versteifte, und seufzte innerlich. Noch etwas, für das sie später bestraft werden würde.
»Ich bin ein Graf, Mädchen, ein wichtiger Mann, und viel zu beschäftigt, um meine Zeit damit zu verschwenden, mich auf dem Land herumzutreiben, während hier Arbeit auf mich wartet«, sagte Dicky steif.
»Ah, nun, jetzt sehen wir uns ja«, murmelte Christiana, um ihre Schwester daran zu hindern, etwas anderes zu sagen. »Und ich bin sehr glücklich, euch zu sehen. Ihr müsst mir alles erzählen, was passiert ist, seit ich von zu Hause weggefahren bin.«
Zu ihrer großen Erleichterung verstand Suzette den Hinweis und fing sofort an, eine Geschichte nach der anderen über das Leben auf dem Landgut zu erzählen. Sie schien es regelrecht zu genießen, und ihre Augen blitzten schelmisch, als sie wiedergab, wer geheiratet hatte und wer nicht, und auf jedes Fitzelchen Klatsch aufmerksam machte, das sie gehört hatte, ganz egal, wie banal es auch sein mochte. Was Lisa anging, saß sie still daneben und betrachtete den immer ungeduldiger werdenden Dicky wachsam und besorgt, während Suzette weiterquasselte. Es war für alle eine Erleichterung, als er plötzlich aufstand und verkündete: »Ich werde euch Damen jetzt eurer Plauderei überlassen. Ich habe wichtigere Dinge zu erledigen, um die ich mich kümmern muss.«
Mit dieser gewichtigen Bemerkung verließ er sie, und zwar mit sehr viel rascheren Bewegungen, als er Christiana beim Eintreten zugestanden hatte.
»Gott sei Dank«, stöhnte Suzette, als sich die Tür hinter ihm schloss. Sofort fiel die Fassade der Fröhlichkeit und Sorglosigkeit von ihr ab. Wut zeichnete jetzt ihr Gesicht, als sie sich nach vorn beugte und fragte: »Was zum Teufel geht hier vor, Chrissy? Behandelt er dich immer so? Mein Gott, als er um dich geworben hat, war er überhaupt nicht so. Er –«
»Still«, zischte Christiana. Sie stand hastig auf, ging zur Tür und bückte sich, um durch das Schlüsselloch spähen zu können. Als sie sah, dass niemand in der Eingangshalle war, atmete sie erleichtert aus und kehrte zu ihren Schwestern zurück.
»Wie schlimm ist deine Ehe?«, fragte Suzette ruhig, während sich Christiana zwischen ihren Schwestern auf dem Sofa niederließ. »Du wirkst müde und mitgenommen. Er behandelt dich nicht gut, oder?«
»Das ist unwichtig«, sagte Christiana. Es gab nicht viele Möglichkeiten, ihre Situation zu verändern, und darüber zu sprechen würde nur dazu führen, dass ihr Elend ans Tageslicht kam. Es war leichter, wenn sie gar nicht erst darüber nachdachte. »Was ist los? Wieso seid ihr hier?«
Suzette und Lisa wechselten einen Blick, dann meldete sich Lisa zum ersten Mal zu Wort: »Vater hat wieder gespielt.«
»Was?« Christiana schnappte bestürzt nach Luft. »Aber er hat doch versprochen, es nie wieder zu tun, nachdem Dicky seine letzten Spielschulden bezahlt hat.«
So war sie in dieser Ehe gelandet. In einer einzigen denkwürdigen Nacht hatte ihr Vater die ganze Familie in Schwierigkeiten gebracht, weil er viel getrunken und noch mehr gespielt hatte. Zwar hatte er versucht, seine Schulden mit dem Verkauf von Familienerbstücken zu begleichen, aber das Geld, das er auf diese Weise zusammengekratzt hatte, hatte nicht gereicht. Als die Gläubiger schließlich an seine Tür geklopft hatten, hatte er keine Ahnung gehabt, wie er den Rest bezahlen sollte. Und dann war das Glück in Gestalt von Dicky erschienen. Er war nach Madison Manor gekommen, weil er um
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