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Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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Ermahnung, dass sie sich im Schatten und in den Gassen halten mussten, wo niemand sie sehen würde. Er küsste ihr zum Abschied die Hand, und Anne versuchte so zu tun, als fände sie diese Geste nicht wunderbar.
    Ihn konnte sie damit vielleicht täuschen, nicht aber sich selbst.
    „Ich komme Sie morgen besuchen“, sagte er, ihre Hand noch in der seinen.
    „Was? Nein!“ Anne entriss ihm ihre Hand. „Das geht nicht!“ „Nein?“
    „Nein. Ich bin die Gouvernante. Ich kann keinen Herrenbesuch empfangen, das würde mich die Stellung kosten.“
    Er lächelte, als ließe sich dieses Problem mit Leichtigkeit lösen. „Dann besuche ich eben meine Cousinen.“
    Hatte er denn überhaupt keine Ahnung, wie man sich benahm? Oder war er einfach nur selbstsüchtig? „Ich werde nicht zu Hause sein“, erwiderte sie mit fester Stimme.
    „Dann komme ich eben wieder.“
    „Dann bin ich wieder nicht zu Hause.“
    „Sie schwänzen? Wer soll dann meine Cousinen unterrichten?“
    „Ich nicht, wenn Sie hier herumlungern. Ihre Tante würde mich bestimmt entlassen.“
    „Entlassen?“ Er lachte leise. „Das klingt aber schlimm.“
    „Ist es auch.“ Lieber Himmel, sie musste ihn zur Einsicht bringen. Es spielte keine Rolle, wer er war oder welche Gefühle er in ihr weckte. Der aufregende Abend ... der Kuss ... das waren flüchtige Freuden.
    Wirklich wichtig war, dass sie ein Dach über dem Kopf hatte. Und Essen auf dem Tisch. Brot, Käse, Butter und Zucker und all die herrlichen Dinge, die sie in der Kindheit jeden Tag bekommen hatte. Obendrein gewährte ihr die Arbeit bei den Pleinsworths Beständigkeit, einen festen Platz in der Gesellschaft und Selbstachtung.
    Diese Dinge waren für sie keine Selbstverständlichkeit.
    Sie sah zu Lord Winstead. Er betrachtete sie aufmerksam, als glaubte er, er könnte ihr in die Seele blicken.
    Aber er kannte sie nicht. Niemand kannte sie. Und so hüllte sie sich in Förmlichkeit wie in einen Mantel, trat einen Schritt zurück und knickste. „Danke für die Begleitung, Mylord. Ich weiß Ihre Sorge um meine Sicherheit zu schätzen.“ Sie wandte sich um und schloss den hinteren Eingang auf.
    Drinnen angekommen, dauerte es eine Weile, bis alles besprochen und erledigt war. Die Pleinsworths waren nämlich kurz nach ihr eingetroffen, sie musste sich also entschuldigen, was sie mit der Feder in der Hand und der Behauptung tat, gerade habe sie eine Nachricht überbringen lassen wollen, in der sie erklärte, warum sie die musikalische Soiree verlassen habe. Harriet konnte gar nicht aufhören, von dem aufregenden Abend zu berichten - anscheinend hatten sich Lord Chatteris und Lady Honoria tatsächlich verlobt, und das auf höchst spektakuläre Art -, und dann kamen Elizabeth und Frances die Treppe heruntergeeilt, keine von beiden hatte bislang ein Auge zugetan.
    Erst zwei Stunden später betrat Anne ihr eigenes Zimmer, zog ihr Nachthemd an und schlüpfte ins Bett. Und es dauerte weitere zwei Stunden, bevor sie an Schlaf überhaupt denken konnte. Sie lag da, starrte an die Decke, dachte nach, staunte und flüsterte in sich hinein.
    „Annelise Sophronia Shawcross“, sagte sie schließlich, „in was hast du dich da bloß hineinmanövriert?“

3. Kapitel
    Am nächsten Nachmittag machte Daniel sich auf den Weg zum Pleinsworth House, obwohl die Dowager Countess of Winstead darauf beharrt hatte, dass sie ihren eben erst heimgekehrten Sohn nicht aus den Augen lassen wollte. Er hatte seiner Mutter nicht erzählt, wohin er ging, sonst hätte sie sicher darauf bestanden, ihn zu begleiten. Stattdessen sagte er ihr, er müsse sich um ein paar juristische Angelegenheiten kümmern, was sogar der Wahrheit entsprach. Wenn ein Gentleman nach einem dreijährigen Auslandsaufenthalt nach Hause zurückkehrte, hatte er jede Menge Dinge zu regeln, und dazu musste er mindestens einen Anwalt aufsuchen. Und zufällig lag die Kanzlei von Streatham & Ponce nur zwei Meilen in die entgegengesetzte Richtung von Pleinsworth House, also praktisch auf dem Weg. Außerdem, wenn er behauptete, er sei plötzlich auf die Idee verfallen, seine Cousinen zu besuchen, wer wollte ihm da das Gegenteil beweisen? So etwas konnte einem Gentleman ebenso leicht in einer Kutsche unterwegs in den Sinn kommen wie irgendwo sonst.
    Zum Beispiel am Hintereingang der Pleinsworths.
    Oder auf dem gesamten Heimweg.
    Oder im Bett. Er hatte die halbe Nacht wach gelegen und an die geheimnisvolle Miss Wynter gedacht - an ihre sanft gerundete Wange, an ihren

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