Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
Duft. Er war wie verhext, das räumte er bereitwillig ein, und er führte es darauf zurück, dass er so glücklich war, endlich wieder zu Hause zu sein. Er fand es vollkommen nachvollziehbar, dass er sich von einem so liebreizenden Exemplar englischer Weiblichkeit betören ließ.
Und nach einer aufreibenden zweistündigen Sitzung mit den Herren Streatham, Ponce und Beaufort-Graves (der es anscheinend noch nicht auf das Firmenschild geschafft hatte) dirigierte Daniel den Kutscher zum Pleinsworth House. Er wollte seine Cousinen auch tatsächlich sehen.
Noch mehr zog es ihn allerdings zu ihrer Gouvernante hin. Seine Tante war nicht zu Hause, seine Cousine Sarah aber schon, und er wurde mit einem entzückten Schrei und einer festen Umarmung begrüßt. „Warum hat mir niemand mitgeteilt, dass du zurück bist?“, rief sie freudig. Sie trat zurück und nahm ihn blinzelnd in Augenschein. „Was ist denn mit dir passiert?“ Er öffnete schon den Mund zu einer Antwort, doch sie unterbrach ihn: „Und mach mir jetzt nicht weis, du wärst von Straßenräubern angegriffen worden, denn von Marcus’ blauem Auge habe ich schon gestern erfahren.“
„Er sieht schlimmer aus als ich“, bestätigte Daniel. „Und deine Familie konnte dir nicht mitteilen, dass ich wieder da bin, weil sie es auch nicht wusste. Ich wollte das Konzert nicht durch meine Ankunft stören.“
„Wie rücksichtsvoll von dir“, sagte sie ironisch.
Voll Zuneigung blickte er sie an. Sie war im selben Alter wie seine Schwester, und als Kind hatte sie viel Zeit mit Honoria und ihm verbracht. „Finde ich auch“, murmelte er. „Ich habe vom Übungsraum aus zugesehen. Stell dir meine Überraschung vor, als ich am Pianoforte eine Fremde entdecken musste.“
Sie legte eine Hand auf ihr Herz. „Ich war krank.“
„Ich bin froh, dass du dich so schnell wieder erholt hast von deiner tödlichen Krankheit.“
„Ich konnte mich gestern kaum aufrecht halten“, erklärte sie ernst.
„Tatsächlich.“
„Oh ja. Immer dieser Schwindel, weißt du.“ Sie fächelte mit der anderen Hand durch die Luft, als wollte sie ihre Worte wegwedeln. „Es ist eine schreckliche Last.“
„Die Leute, die darunter leiden, sind bestimmt dieser Ansicht.“ Sie presste kurz die Lippen zusammen und sagte dann: „Aber reden wir nicht mehr von mir. Du hast vermutlich von Honorias wunderbaren Neuigkeiten gehört?“
Er folgte ihr in den Salon und nahm Platz. „Dass Sie bald Lady Chatteris sein wird? Allerdings.“
„Also, ich freue mich für sie, auch wenn du es nicht tust“, verkündete Sarah und schniefte. „Und tu nicht so, als würdest du dich freuen, denn deine Blessuren sagen etwas ganz anderes.“ „Ich freue mich außerordentlich für alle beide“, entgegnete er bestimmt. „Das hier ...“, er zeigte auf sein Gesicht, „... war nur ein Missverständnis.“
Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu, sagte aber nur: „Willst du Tee?“
„Sehr gern.“ Er erhob sich, als sie aufstand, um danach zu klingeln. „Sag mal, sind deine Schwestern auch zu Hause?“ „Die sind oben im Schulzimmer. Möchtest du sie sehen?“ „Natürlich“, erwiderte er umgehend. „Bestimmt sind sie ein ganzes Stück gewachsen, während ich weg war.“
„Sie kommen bald herunter“, sagte Sarah und kam zu ihm zurück. „Harriet hat im ganzen Haus Spione. Irgendwer hat sie bestimmt über deine Ankunft informiert.“
„Erzähl“, sagte er und machte es sich wieder auf dem Sofa bequem, „wer war das gestern am Klavier?“
Sie musterte ihn ein wenig verwundert.
„Auf deinem Platz“, fügte er unnötigerweise hinzu. „Weil du doch krank warst.“
„Das war Miss Wynter“, sagte sie. Misstrauisch kniff sie die Augen zusammen. „Sie ist die Gouvernante meiner Schwestern.“ „Wie günstig, dass sie Klavier spielen konnte.“
„Ein glücklicher Zufall, allerdings“, sagte Sarah. „Ich hatte schon befürchtet, wir müssten das Konzert absagen.“
„Deine Cousinen wären furchtbar enttäuscht gewesen“, meinte er. „Aber diese ... wie hieß sie noch mal? Miss Wynter?“ „Ja.“
„Die kannte das Stück?“
Sarah starrte ihn offen an. „Es hat den Anschein.“
Er nickte. „Ich finde, die Familie ist der begabten Miss Wynter sehr zu Dank verpflichtet.“
„Die Dankbarkeit meiner Mutter hat sie sich jedenfalls verdient.“
„Ist sie schon lang bei euch?“
„Ungefähr ein Jahr. Warum fragst du?“
„Nur so. Aus Neugier.“
„Komisch“, sagte sie langsam,
Weitere Kostenlose Bücher