Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
vergewissern - damit riskierte sie nur, dass er sie entdeckte. Mit einem erstickten Schrei drehte sie auf dem Absatz um und rannte davon ... in den erstbesten Laden, der ihr unterkam.
6. Kapitel
Acht Jahre früher
Heute Abend, dachte Annelise mit wachsender Erregung. Heute Abend war es endlich so weit. Es würde Aufsehen erregen, wenn sie sich vor ihren älteren Schwestern verlobte, aber gänzlich unerwartet käme es nicht. Charlotte hatte sich nie groß für die ortsansässige Gesellschaft interessiert, und Marabeth wirkte immer so zornig und verkniffen - schwer vorstellbar, dass irgendwer sie würde heiraten wollen.
Marabeth würde allerdings einen Anfall bekommen, aber ihre Eltern würden sie sicher trösten, und dennoch ihre jüngste Tochter nicht dazu zwingen, der ältesten zuliebe auf ihren Triumph zu verzichten. Wenn Annelise George Chervil ehelichte, würden die Shawcrosses in die wichtigste Familie in ihrer Ecke von Northumberland einheiraten. Sogar Marabeth würde irgendwann erkennen, dass Annelises Coup auch in ihrem Interesse lag.
„Du siehst aus wie eine Katze, die am Sahnetopf geschleckt hat“, sagte Charlotte, die Annelise dabei beobachtete, wie sie sich vor dem Spiegel verschiedene Ohrringe vorhielt. Natürlich waren sie nur aus Strass, der einzig echte Schmuck der Familie Shawcross gehörte ihrer Mutter, und die besaß außer ihrem Ehering nur eine kleine Brosche mit drei winzigen Diamanten und einem großen Topas. Das Stück war nicht mal besonders hübsch.
„Ich glaube, dass George mich heute Abend fragt, ob ich ihn heiraten will“, wisperte Annelise. Vor ihrer Schwester hatte sie noch nie Geheimnisse gehabt. Zumindest bis vor Kurzem nicht.
Charlotte wusste einiges über Annelises monatelange heimliche Liebesgeschichte, aber eben nicht alles.
„Sag bloß!“ Charlotte keuchte vor Entzücken und umfing beide Hände ihrer Schwester mit den ihren. „Ich freue mich ja so für dich!“
„Ich weiß, ich weiß.“ Annelise konnte das breite Grinsen nicht unterdrücken. Am Ende des Abends würden ihr bestimmt die Backen wehtun. Sie war so glücklich. George war alles, was sie sich je von einem Ehemann erhofft hatte. Er war alles, was sich jedes Mädchen je gewünscht hätte - er war attraktiv, muskulös, flott. Ganz zu schweigen davon, dass er unglaublich gute Beziehungen hatte. Als Mrs George Chervil würde Annelise im schönsten Haus weit und breit wohnen. Man würde sich um ihre Einladungen reißen, ihre Freundschaft wäre begehrt. Vielleicht würden sie sogar zur Saison nach London fahren. Annelise war klar, dass derartige Reisen teuer waren, aber eines Tages wäre George ein Baronet. Irgendwann würde er den ihm gebührenden Platz in der Gesellschaft einnehmen, oder?
„Hat er Andeutungen gemacht?“, erkundigte sich Charlotte. „Dir Sachen geschenkt?“
Annelise legte den Kopf schief. Ihr gefiel, wie sie aussah, wenn das Licht in diesem Winkel auf ihren blassen Teint schien. „Etwas derart Offensichtliches hat er noch nicht getan. Aber der Sommernachtsball hat eine so lange Tradition. Wusstest du, dass seine Eltern sich auf diesem Ball verlobt haben? Und jetzt, da George fünfundzwanzig geworden ist...“ Sie wandte sich mit großen, aufgeregten Augen zu ihrer Schwester um. „Ich habe seinen Vater sagen hören, dass es für ihn höchste Zeit wird zu heiraten.“ „Oh, Annie.“ Charlotte seufzte versonnen. „Das ist ja so romantisch.“ Der Sommernachtsball der Chervils war das Ereignis des Jahres. Wenn es einen richtigen Moment für den begehrtesten Junggesellen des Ortes gab, seine Verlobung zu verkündigen, dann auf diesem Ball.
„Welche soll ich nehmen?“, fragte Annelise und hielt die Ohrringe hoch.
„Oh, unbedingt die blauen“, sagte Charlotte und grinste dann. „Weil ich die grünen brauche; sie passen zu meinen Augen.“
Annelise lachte und umarmte sie. „Ich bin so glücklich“, sagte sie. Sie schüttelte sich kurz, als könnte sie ihre Gefühle unmöglich im Zaum halten. Ihr Glück fühlte sich an, als wäre es lebendig, als hüpfte es in ihr auf und ab. Sie kannte George schon seit Jahren, und wie alle Mädchen in ihrer Umgebung hatte sie sich heimlich gewünscht, er würde ihr besondere Aufmerksamkeit zollen. Und dann hatte er es tatsächlich getan! In jenem Frühling hatte sie festgestellt, dass er sie anders ansah, und als der Sommer begann, machte er ihr bereits heimlich den Hof. Sie blickte ihre Schwester strahlend an. „Ich hätte nicht gedacht, dass
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